Interview mit Carolyn Genzkow

„Ich finde es schön, dass Solidarität unter Frauen erzählt wird. Nina Rubin ist auf jeden Fall ein Vorbild für Anna Feil.“

Bild: rbb/Gordon Muehle

9. Dezember 2017. Carolyn Genzkow zählt seit 2015 fest zum Berliner Tatort mit Meret Becker und Mark Waschke. Wir trafen die junge Schauspielerin und Psychologie-Studentin bei der Premiere von Dein Name sei Harbinger in der Hauptstadt und sprachen mit ihr über ihren sechsten Tatort und ihre Rolle als Kommissarsanwärterin Anna Feil.


WwdT: Am kommenden Sonntag läuft euer neuer Tatort Dein Name sei Harbinger – und in dem seid ihr ziemlich viel unterwegs. Wie hast du denn die Dreharbeiten erlebt?

Genzkow: Wir waren tatsächlich nur unterwegs, aber es lief super. Ich wohne ja in Berlin, und es hat schon was, zu Hause zu drehen, und Motive, die man aus seinem Alltag kennt, in seiner Rolle zu erleben. Sonst drehe ich oft in anderen Städten, das ist auf eine andere Art spannend.

WwdT: Welche Rolle spielt Berlin in eurem sechsten Tatort?

Genzkow: Es wird nicht die schöne bemalte oberflächliche Seite gezeigt, sondern die abgefuckte Variante. Wir haben viel im U-Bahnhof am Alexanderplatz gedreht, und in einer Schlosserei, das sind schon spannende Motive – auch wenn man sich da nicht gern mehrere Stunden aufhält. Wir haben auch in den vorherigen Tatort-Folgen schon viel auf dicht befahrenen Straßen gedreht. Dieses Rastlose, dass alles ständig in Bewegung ist, spiegeln die Motive gut wieder. Und das hilft einem auch, den Drive der Szenen zu finden.

Wird mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert:
Anna Feil (Carolyn Genzkow) mit Dr. Stefan Wohlleben (Trystan Pütter).
Bild: rbb/Gordon Muehle

WwdT: Welche Gefühle durchlebt deine Figur Anna Feil in der neuen Folge? Sie hat ja sehr viele herausfordernde Momente zu meistern, auch persönliche.

Genzkow: Das sind so viele Konflikte, dass man sie kaum in einem Satz zusammenfassen kann. Sie muss gleich am Anfang den Tod ihres Vaters verkraften und steht vor der Frage, ob ihre Mutter überhaupt ihre leibliche Mutter ist. Ich habe mal in einem Adoptionsdrama ein 18-jähriges Mädchen gespielt, das eine ganz ähnliche Erfahrung macht, da musste ich sofort dran denken. So eine Gefühlsachterbahn erleben nicht viele Personen.

WwdT: Das war schauspielerisch sicher eine Herausforderung. Wie hast du dich dem Ganzen denn angenähert?

Genzkow: Ich habe mich viel über Reproduktionsmedizin informiert, um meine eigene Haltung dazu zu finden, auch wenn es natürlich etwas anderes ist, ob man persönlich betroffen ist oder es nachliest. Ich hatte das Gefühl, das dominierende Gefühl ist Fassungslosigkeit, und dass die Dinge schneller passieren, als man sie verarbeiten kann. Deswegen ist alles in so einem unverarbeiteten Modus: Im einen Moment ist man die Kommissarsanwärterin und verhört Verdächtige, im nächsten Moment ist man Anna Feil, die ihre leibliche Mutter kennenlernen möchte. So habe ich es versucht zu spielen. Wahrscheinlich fühlt man sich in der Ermittlerrolle wohler, weil der Rahmen klar gesteckt ist und man sich ein Stück weit reinflüchten kann.

WwdT: Welcher Typ Kommissarsanwärterin ist Anna Feil denn generell?

Gerieten bei den Ermittlungen schon häufiger aneinander:
Anna Feil (Carolyn Genzkow) und ihr Chef Robert Karow (Mark Waschke).
Bild: rbb/Oliver Vaccaro

Genzkow: Sie reift von Folge zu Folge. Auf jeden Fall ist sie eine Stellvertreterin der Generation, der man immer nachsagt, sie wäre bindungsunfähig und ansonsten auch voll gestört. Im Berliner Tatort ist es aber ja eher so, dass die jüngere Generation ihr Leben besser auf die Reihe kriegt als die ältere. Und sie ist ehrgeizig. Sie will aufsteigen und ist anpassungsfähig. Aber nicht im Sinne von unterwürfig, auch wenn das immer eine Gratwanderung ist, sondern im Sinne von sozialkompetent: Was mache ich jetzt mit diesen sehr extremen Kommissaren, wie finde ich meine Ebene mit denen? Da changiert sie so ein bisschen herum, aber gewinnt immer mehr eine eigene, konsequente Haltung. Denn sie lässt sich nicht alles gefallen!

WwdT: Ist dir Anna Feil sympathisch?

Genzkow: Eigentlich sind mir alle Figuren sympathisch, die ich spiele. Ich bin ihnen ja nah. Und wenn man einer Person nah ist, hat man sie ja irgendwie gern, auch wenn sie vielleicht in einer Situation für den Zuschauer mal unsympathisch handeln. Ich hab Anna Feil auf jeden Fall auch gern.

WwdT: Im Tatort waren die Assistenten oder Anwärter früher oft eher der Typ „kaffeekochende Sekretärin“. Hat sich dieses Rollenbild gewandelt?

Genzkow: Ich hoffe es natürlich. Das deutsche Fernsehen passt sich ja auch neuen Gegebenheiten an. Man erzählt nicht mehr von stereotypen Assistentinnen, die nur Kaffee kochen und in den Kommissar verliebt sind. Die Schauspieler sind auch jünger, denn der Tatort soll ja auch das junge Publikum ansprechen. Und das unterstützt man durch dauerhafte Figuren, die unter 30 sind.

Gingen schon in „Dunkelfeld“ durch dick und dünn:
Nina Rubin (Meret Becker) und Anna Feil (Carolyn Genzkow).
Bild: rbb/Oliver Vaccaro

WwdT: In Dein Name sei Harbinger ändert sich die Chemie zwischen Anna Feil und Nina Rubin, die beiden nähern sich ein bisschen an. Wie kommt das?

Genzkow: Ich finde es schön, dass diese Solidarität unter Frauen erzählt wird. Im vorletzten Tatort Dunkelfeld gab es ja zwischen den beiden die bisher stärkste Annäherung – da hat sie Nina Rubin in vielen Krisensituationen mitbekommen, mit ihrem Sohn, ihrem Mann und der gemeinsamen Sorge um Robert Karow. Das hat die beiden zusammengeschweißt. Da haben sie auch angefangen, sich zu duzen, zumindest inoffiziell. Sie haben zwar immer noch ein professionelles Verhältnis, aber sie haben Sympathie füreinander entwickelt. Nina Rubin ist auf jeden Fall auch ein Vorbild für Anna Feil!

WwdT: Man hat als Zuschauer das Gefühl, dass die Chemie unter den Schauspielern stimmt. Die Dialoge sitzen und alle sind sehr gut aufeinander eingespielt.

Genzkow: Ja, wir haben uns von Anfang an gut verstanden und werden auch vor der Kamera immer sicherer. Selbst die Autoren kennen die Figuren nicht so gut wir – wir würden sofort merken, wenn etwas nicht passt, so nach dem Motto: So würden die nie miteinander reden.

Musste in „Das Muli“ vor allem Bürokram erledigen:
Hospitantin Anna Feil (Carolyn Genzkow) im Berliner Präsidium.
Bild: rbb/Frédéric Batier

WwdT: Wie könnte es weitergehen mit Anna Feil?

Genzkow: Ich hoffe natürlich, dass sie immer mehr zu tun bekommt und sich weg vom Bürokram hin zu mehr Ermittlungsarbeit entwickelt. Wir haben schon zwei weitere Folgen gedreht, die aber noch nicht ausgestrahlt wurden.

WwdT: Du bist ja nicht nur Schauspielerin, sondern studierst auch Psychologie. In Dein Name sei Harbinger geht es auch um einen psychisch erkrankten Täter. Wie war das für dich, sich dem Thema nicht auf die wissenschaftliche Art zu nähern, sondern auf die spielerische?

Genzkow: Ich fand schon das Drehbuchlesen spannend und habe mich auch mit Christoph Bach [spielt den psychisch kranken Harbinger, Anm. d. Red.] lange darüber unterhalten, wie er seine Figur spielen möchte. Ich bin aber als Schauspielerin in den Film reingegangen und habe mich nicht in seine Arbeit eingemischt. Meine Figur ist davon ja auch nicht direkt betroffen. Ich habe das Gefühl, dass ich das ganz gut trennen kann.

WwdT: Könntest du dir vorstellen, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen und nochmal was ganz anderes zu machen? Zum Beispiel in den Polizeidienst gehen?

Genzkow: Nee, definitiv nicht. Ich würde mich bei der Polizei total langweilen. Ich glaube, dass ist nicht so spannend, wie es im Tatort dargestellt wird. Ich hab das Gefühl, ich habe mir mit Psychologie und Schauspiel die für mich spannendsten Bereiche rausgesucht und möchte auch zukünftig gern beides machen.

WwdT: Hast du schon konkrete Pläne für die Zukunft?

Genzkow: Das lasse ich auf mich zukommen. Ich spiele ja schon, seit ich ganz klein bin und habe immer nebenbei was anderes gemacht. Das verschafft mir eine sehr große Freiheit. Ich wurde schon oft gefragt, was mir denn eigentlich wichtiger ist, und ob ich studiere, weil ich nicht sicher bin mit dem Schauspiel. Da frage ich mich immer, warum die Leute einen immer in eine Kategorie stecken möchten. Am Ende ist doch wichtig, dass man spannende Sachen macht, und ich habe da jetzt keine klare Priorität. Für spannende Projekte ziehe ich mein Studium gern in die Länge – und wenn es Projekte sind, die mich nicht so interessieren, sage ich sie ab. Ich bin aber nie drauf angewiesen, auf die nächste Rolle zu warten.

WwdT: Vielen Dank für das Interview!

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