Interview mit Sebastian Bezzel

„In der Provinz liegt das wahre Grauen. Wenn wir versucht haben, einen auf städtisch zu machen, ging das meistens in die Hose.“

Bild: SWR/Johannes Krieg
18. Mai 2016. Sebastian Bezzel spielt seit 2004 im Bodensee-Tatort Hauptkommissar Kai Perlmann, den Kollegen von Klara Blum (Eva Mattes). Wir trafen den Schauspieler beim SWR Sommerfestival 2016, auf dem der letzte Bodensee-Tatort Wofür es sich zu leben lohnt seine Premiere feierte. Im Interview spricht Bezzel über den Film und gibt zu, dass er einige Folgen aus Konstanz richtig schwach fand.


WwdT: Herr Bezzel, wie lautet Ihr Fazit nach dreizehn Jahren Bodensee-Tatort?

Bezzel: Grundsätzlich habe ich das sehr gern gemacht. Mit Eva Mattes zu spielen, war der Oberhammer. Ein echtes Geschenk, dass ich so viele Filme mit ihr machen durfte. Es waren ein paar schöne dabei, aber wir hatten auch ein paar echt schwache Drehbücher. Auf die kann man nicht stolz sein. Da ist mir dann langweilig geworden, und das werfe ich mir vor. Man hätte einfach mehr rausholen können.

WwdT: Wie groß war die Enttäuschung, als Sie vom Ende erfahren haben?

Bezzel: Nach 13 Jahren und 27 Folgen ist die Entscheidung nachvollziehbar. Irgendwann stellt man immer wieder diese „Wo waren Sie gestern Abend?“– und „Hatte Ihr Mann Feinde?“-Fragen. Ich war aber enttäuscht über die schwachen Folgen und hatte keinen Bock auf „Ja super, war alles toll!“, denn das war es nicht. Es war vieles toll, das Team, die Kollegen, die Regisseure. Aber ein paar Folgen waren unter Wert und das sollte man dann auch klar benennen.

WwdT: Welche Folgen waren das?

Bezzel: Welche schlecht waren, soll jeder für sich selbst entscheiden. Klasse fand ich aber zum Beispiel Herz aus Eis und Rebecca. Oder Bitteres Brot, meinen ersten Tatort. Der war richtig fies. Generell fand ich die Themen gut, die zum Bodensee gepasst haben, denn in der Provinz liegt das wahre Grauen. Wenn wir versucht haben, einen auf städtisch zu machen, mit Verfolgungsjagd und so, ging das meistens in die Hose.

WwdT: Hätten Sie sich auch für Ihre Figur Kai Perlmann etwas gewünscht, was die Autoren nicht umgesetzt haben?

Sebastian Bezzel im „Tatort: Bitteres Brot“ (2004).
Bild: SWR/Schweigert

Bezzel: Damals brauchten wir als dramaturgischen Kniff einen starken Gegenpol zu Klara Blum – jünger, männlich, konservativer und schnöseliger. So was schleift sich schnell ab. Irgendwann war Perlmann gar nicht mehr schick und sie haben mir nur noch Pullis angezogen. Da sollte ich dann plötzlich der nette Junge von nebenan sein. Da habe ich gesagt, dass das so nicht geht. Zuletzt hat Perlmann wieder mehr Style bekommen. Das braucht dieser Typ auch. Außerdem sollte eine Zeit lang der Humor im Bodensee-Tatort über Perlmann erzählt werden. Da hätte ich mir mehr Ideen und mehr Form für die Figur gewünscht.

WwdT: Welche Rolle spielt das Siezen und Duzen zwischen Blum und Perlmann?

Bezzel: Auf das Siezen habe ich immer bestanden. Aber sobald das Arbeitsverhältnis zwischen den Kommissaren aufgehoben ist, ist Perlmann der Erste, der „Klara“ sagt.

WwdT: Was unterscheidet den Tatort aus Konstanz vom Rest der Reihe?

Bezzel: Uns wurde ja oft vorgeworfen, wir wären so altmodisch und schnarchig. Gerade das fand ich gut! Da habe ich gesagt: Lasst uns da weiterarbeiten. Mittlerweile ist das ja fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt so viele Hot-Spot-Krimis und Sozialtatorte, oder Kommissare, die Alkoholiker sind oder ihre Frau verloren haben. Das sind aber nicht wir. Woanders funktioniert das super, in Dortmund zum Beispiel. Das ist so düster, da ist man nach dem Tatort immer ganz fertig.

Szene im „Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt“.
Bild: SWR/Patrick Pfeiffer

WwdT: Was ist das Besondere am letzten Bodensee-Tatort Wofür es sich zu leben lohnt?

Bezzel: Er ist schräg. Und lustig – aber nicht blödellustig, sondern mit schwarzem Humor. Was ich an dem Tatort besonders mag: Er stellt Behauptungen auf und ist etwas über der Realität.

Wwdt: So wie der Tatort aus Wiesbaden?

Bezzel: Soweit würde ich nicht gehen. Aber Wiesbaden finde ich fantastisch, das ist der Arthouse-Experimentier-Tatort. Ein kluger Plan, wenn man solche Darsteller hat. Toll, dass sich der HR das gönnt und so knallhart durchzieht. Auch wenn ich nicht alle gut fand, Experimente können ja auch mal nach hinten losgehen. Aber Im Schmerz geboren beispielsweise war ganz große Kunst.

WwdT: Der Tatort schwimmt momentan auf einer Erfolgswelle. Wie beurteilen Sie diesen Trend?

Bezzel: Man muss aufpassen, dass man das Ding nicht kaputt macht. Dieser ganze Online-Hype zum Beispiel ist nicht meine Welt, da muss doch jeder seinen Senf dazu geben. Twittern nebenher finde ich furchtbar. Ich verstehe das nicht: Entweder ich schaue einen Film oder ich schreib was.

WwdT: In Rebecca sagte die gleichnamige Hauptfigur am Ende: „Ich vermisse dich, Perlmann.“ Was werden die Zuschauer nach Ihrem letzten Fall sagen?

Bezzel: Ich hoffe, sie sagen dasselbe! Wäre mir bedeutend lieber, als wenn sie sagen: „Hoffentlich ist der Arsch endlich weg!“ (lacht) Bei so vielen Ermittlern sollte man sich aber auch nicht zu wichtig nehmen.

WwdT: Wie geht es für Sie persönlich weiter?

V.l.n.r.: Michael Steinbrecher, Eva Mattes, Sebastian Bezzel, Roland Koch.
Bild: Wie war der Tatort?

Bezzel: Tja, Arbeitslosigkeit! (lacht) Nein, im Ernst: Krimis habe ich immer gerne gemacht, weil du dabei immer eine Gesellschaftsschicht oder eine Parallelwelt zeigen kannst. Zur Zeit mache ich ja die Eberhofer-Reihe. Vor einer Woche haben wir den vierten Teil Grießnockerlaffäre abgedreht, der dritte Teil Schweinskopf al dente kommt im August ins Kino. Diese schrägen und schwarzhumorigen Filme machen mir großen Spaß.

WwdT: Könnten Sie sich vorstellen, auch mal ans Theater zu gehen?
Bezzel: Klar, nur die Intendanten offenbar nicht! (lacht) Ich verfalle jetzt aber nicht in Panik, nur weil ich den Tatort nicht mehr habe. Ich trete erstmal auf die Bremse und sondiere in Ruhe die Angebote.
WwdT: Wie wäre es mit einer andere Rolle im Tatort, zum Beispiel als Mörder oder Bösewicht?
Bezzel: Ich hoffe sehr, dass sich das mal ergibt. Das sind ja sowieso die interessanteren Rollen…

 Interview: Lars-Christian Daniels