„Ich bin relativ tatortfrei aufgewachsen. Ob ich heute einen Tatort einschalte, mache ich meist davon abhängig, wie die Kritik ausgefallen ist.“
Bild: Bavaria Film GmbH/BR/Erika Hauri |
Ferdinand Hofer feierte 2014 im überragenden Münchner Tatort Am Ende des Flurs sein Debüt und hat sich als Assistent Kalli Hammermann fest an der Seite von Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) etabliert. Im Interview zum 50-jährigen Tatort-Jubiläum sprachen wir mit dem jungen Schauspieler unter anderem über seine Figur, den Crossover-Tatort In der Familie und die Dreharbeiten in Zeiten der Corona-Pandemie.
Als der Tatort vor 50 Jahren zum ersten Mal auf Sendung ging, da waren wir beide noch gar nicht geboren. Wie bist du denn zum ersten Mal mit dem Tatort in Berührung gekommen?
Ich gehöre nicht zu denen, die schon immer mit der Familie vor dem Fernseher saßen – ich bin sogar relativ „tatortfrei“ aufgewachsen. Als Kind oder Jugendlicher hab ich zwar bestimmt mal den einen oder anderen Tatort gesehen, aber als „Fernseh-Institution“ hab ich ihn erst wahrgenommen, als die Casting-Anfrage reinkam. Da ist mir das ganze Ausmaß dann klar geworden. (lacht)
Und jetzt schaust du ihn ganz bewusst und häufiger?
Ich schaue hin und wieder mal einen, bin aber niemand, der am Sonntag pünktlich um 20.15 Uhr einschaltet, weil ich da meist noch gar nicht mit allem fertig bin. Ich schaue ihn dann zeitversetzt in der Mediathek. Ob ich einschalte, mache ich meist davon abhängig, wie die Kritik ausgefallen ist. Wenn ich schon im Vorfeld höre, dass er gut sein soll, dann setz ich mich abends hin – wenn ich vorab nichts mitbekomme, dann lasse ich ihn auch mal ausfallen.
Gibt es Tatort-Teams, die du am liebsten magst oder weniger gern?
Da bin ich natürlich ein bisschen befangen! (lacht) Ein Lieblingsteam hab ich eigentlich nicht. Generell bin ich eher der klassische Typ, das Team aus Münster mag ich zum Beispiel. Früher fand ich die Folgen mit Maximilian Brückner sehr gut oder das Team vom Bodensee mit Eva Mattes. Ballauf und Schenk find ich auch stark, oder Lessing und Dorn. Es gibt aber kein Team, das wirklich schlecht ist. Eine besondere Sympathie hab ich jetzt durch den Jubiläumsfall für Jörg Hartmann und das Team aus Dortmund entwickelt. Nur weil das Team oder die Schauspieler gut sind, ist aber ja nicht automatisch der komplette Film gut. Es kommt auch auf die Drehbücher und die Leute hinter der Kamera an. So wie in diesem Jahr zum Beispiel bei unserem Tatort Unklare Lage, erinnerst du dich?
Sehr gut sogar – den fand ich großartig und der hat von uns die Höchstwertung bekommen.
Da würde ich behaupten, dass der vor allem so gut war, weil zum Beispiel die Kamera, der Schnitt und die Regie so grandios waren. Die Schauspieler waren natürlich auch gut, aber die Arbeit hinter der Kamera geht manchmal unter.
Ferdinand Hofer im hochspannenden Tatort „Unklare Lage“. Bild: BR/X Filme Creative Pool/Hagen Keller |
Hast du dir viele Münchner Tatort-Folgen angeschaut, bevor du selbst Teil davon wurdest?
Ich wollte da gar nicht so voreingenommen rangehen. Kalli ist ja im Film auch neu ins Team gekommen und hat kein Vorwissen darüber, wie Batic und Leitmayr ticken. Aber klar, ein paar ältere Folgen aus München hab ich mir angeschaut.
Weißt du noch, welche das waren?
Zum Beispiel die letzte mit Carlo Menzinger [Der Traum von der Au, Anm. d. Red.] und die legendäre Folge mit Fabian Hinrichs [Der tiefe Schlaf, Anm. d. Red.]. Mein damaliger Mitbewohner ist großer Tatort-Fan und hat mir erklärt: Da musst du aufpassen! Da gibt es sogar eine Petition, um Hinrichs in seiner Rolle zurückzuholen! Die Folge hab ich mir natürlich angeschaut, um zu sehen, warum es so einen Hype gab. Zum Glück hat Fabian Hinrichs ja jetzt seinen eigenen Tatort bekommen. (lacht)
Magst du auch die älteren Folgen?
Total. Besonders die mit Gustl Bayrhammer und Helmut Fischer, die alte Fraktion. Das ist noch eine ganz andere Art Tatort. Das waren ja fast Komödien. Aber ich find’s sehr unterhaltsam. Ich bin aber auch generell ein Fan von so alten Formaten.
Wenn wir an die Tatort-Folgen von heute denken, ist Kalli ja eine Art Edelhelfer für Batic und Leitmayr. Was würdest du ihm für die Zukunft wünschen?
Dass Kalli nur zuarbeitet, davon sind wir ja schon ein bisschen weg. Cool wäre, wenn Kalli noch aktiver zu den Ermittlungen beitragen kann. Mich würde zum Beispiel reizen, ihn mal eine Vernehmung durchführen zu lassen. Da sind ja in Krimis oft die krasseren Szenen – besonders, wenn der Zuschauer den Verdächtigen nicht leiden kann. Kalli selbst ist ja ein gutherziger Mensch, der sich nicht so leicht reizen lässt. Gerade das fände ich spannend, ihn mal in zwiespältige Situationen zu bringen, so wie im Jubiläumstatort bei der Begegnung mit Peter Faber, der gehörig was verbockt hat. Cool wäre aber auch, wenn Kalli mal eine Actionszene hat – das würde ich richtig auskosten, auch wenn ich schon ein paar kleinere Stunts vor der Kamera machen durfte.
Wie war denn die Zusammenarbeit mit Jörg Hartmann?
Die Zusammenarbeit mit Jörg hat mir besonders viel Spaß gemacht. Und klar: Jörg ist zwar vor der Kamera Tatort-Kommissar, aber dahinter sind wir letztlich alle Schauspieler. Er ist also genau so ein Kollege für mich wie alle anderen, die eine Rolle im Tatort haben – nur, dass er vielleicht bekannter ist. Bei der Zusammenarbeit finde ich besonders die Vorgeschichten der Charaktere spannend – in diesem Fall also die von Peter Faber und von Kalli Hammermann, die aufeinandertreffen. Kalli wird durch die Begegnung wohl kein Freund von Faber. Ich fand die Arbeit vor und hinter der Kamera mit Jörg aber sehr bereichernd und unterhaltsam. Und ich als Ferdinand bin definitiv ein Jörg-Hartmann-Fan dadurch geworden.
Ferdinand Hofer, Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec und Jörg Hartmann (v.l.n.r.) am Set. Bild: BR/WDR/X Filme Creative Pool Gmbh/Hagen Keller |
Kannst du am Set eigentlich noch Einfluss auf deine Figur nehmen?
Das machen wir sogar ständig, weil die Regisseurinnen und Regisseure ja meist wechseln und das auch zulassen. Die sagen meistens: Du kennst deine Figur am besten – gib mir Input! Auch die Drehbuchautoren wissen, wie die Figuren funktionieren und bauen entsprechend gute Dialoge auf. Nichtsdestotrotz hat man immer die Freiheit, noch nachzujustieren. Ich finde, dass man das bei der humorvollen Art, die das Münchner Team ausmacht, auch immer merkt. Das Meiste davon steht gar nicht in den Drehbüchern. Das entsteht oft spontan am Set.
Was erwartet das Publikum denn bei dem Zweiteiler zum großen Jubiläum?
Es geht um organisierte Kriminalität und die italienische Mafia. Speziell die italienische Mafia nimmt man ja immer etwas anders wahr als andere Mafiastrukturen. Ein Berliner Clan oder die Triaden sind gefühlt was anderes, oder? Für mich wird – zumindest im Film – die italienische Mafia immer zu stilvoll inszeniert. In diesem Tatort wird die Mafia mal anders beleuchtet, vermutlich ist das auch näher an der Realität. Außerdem geht es folgenübergreifend um eine tragische Familiengeschichte.
Wie hast du die Unterbrechung der Dreharbeiten wegen der Corona-Pandemie erlebt?
Wir haben gedreht, bis im Frühjahr der „Lockdown“ kam und mussten dann pausieren. Im Sommer konnten wir weitermachen. Unser Film ist aber eigentlich ein Winterfilm. Da mussten wir dann im Hochsommer in Winterjacken rumlaufen und auch bildtechnisch schauen, dass es jahreszeitlich reinpasst. Im Winter stehen ja nirgendwo knallgrüne Bäume rum. Es wurde also alles ein wenig komplizierter, als es durch die Corona-Pandemie ohnehin schon ist.
Ferdinand Hofer, Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec im Tatort „In der Familie (2)“. Bild: BR/WDR/X Filme Creative Pool Gmbh/Hagen Keller |
Ihr kamt bestimmt ordentlich ins Schwitzen…
Ja, wir haben die Daunenjacken für die Szenen angezogen und waren froh, wenn wir sie wieder ausziehen durften. Ich find schwitzen aber immer noch besser als frieren. Wenn du im Herbst an einem kalten Tag drehst und in deiner Sommerjacke dastehst, kriegst du nach jeder Szene eine Wärmedecke gereicht, weil es einfach arschkalt ist.
Wie muss man sich Dreharbeiten in Corona-Zeiten vorstellen?
Das funktioniert alles sehr gut, man hat sich dran gewöhnt. Direkt nach dem Lockdown musste sich das erst noch finden – da wurden zum Beispiel sämtliche Requisiten nach jeder Szene desinfiziert, wenn man sie übergeben hat. Mittlerweile hat man da Abstand von genommen. Besonders die Schauspieler werden häufig getestet und müssen in eine Art Quarantäne gehen. Das schränkt das soziale Leben natürlich zusätzlich ein. Am Set tragen hinter der Kamera alle Masken und es herrscht eine Art „Schichtbetrieb“, weil nicht mehr so viele Menschen parallel arbeiten. Dadurch dauert alles länger. Wenn man dem Ganzen etwas Positives abgewinnen will: Man hat in Corona-Zeiten mehr Ruhe am Set, zum Beispiel beim Proben. Und dank der Maskenpflicht kann ich jetzt auch wieder anonymer durch München laufen! (lacht)
Wirst du auf der Straße ansonsten oft erkannt?
Schon hin und wieder, und oft ergeben sich dabei lustige Situationen. Viele Leute können mich nicht gleich zuordnen und denken, man kennt sich aus dem privaten Umfeld. Manchmal sagt dann jemand „Hallo!“ und merkt dann: Ups, ich kenne den ja eigentlich gar nicht persönlich! Und dann fangen sie an zu grübeln und überlegen, wer ich bin. Im Übrigen passiert mir selbst das auch häufig. Ich freue mich aber immer, wenn jemand was sagt. Wenn man abends mal weggeht, was momentan ja leider nicht möglich ist, dann trauen sich die Leute am ehesten, mich anzusprechen. Gerade auf der Wiesn ist dann mehr Interaktion! (lacht)
Ferdinand Hofer im Tatort „Die letzte Wiesn“ von 2015. Bild: BR/Wiedemann & Berg Television/Bernd Schuller |
Du bist ja nicht nur Schauspieler, sondern hast im letzten Jahr auch dein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen. Wo siehst du denn deine berufliche Zukunft?
Mein Studium hatte ich schon angefangen, als ich noch nicht ganz so viele Rollen hatte. Ich lege auf jeden Fall alles in die Schauspielerei rein. Das Studium hat mich interessiert und ich bin nicht der Typ, der sowas einfach abbricht. Und es ist auch ganz gut, den Abschluss jetzt in der Tasche zu haben – das gibt mir Sicherheit, weil als Schauspieler nicht der maximale Druck da ist. Aber ich würde mich freuen, wenn ich auch in Zukunft als Schauspieler arbeiten und den Fokus darauf legen darf.
Kannst du dir vorstellen, im Münchner Tatort die Nachfolge von Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl anzutreten, wenn die beiden den Job mal an den Nagel hängen sollten?
Wenn sich die Frage je stellen sollte, würde ich bestimmt nicht Nein sagen. Aber ob es dazu kommt, weiß man ja gar nicht. Vielleicht heißt es dann ja auch: München bekommt jetzt kein Tatort-Team mehr. Da spielen unzählige Faktoren und Entscheidungsträger mit rein. Ich hab aber das Gefühl, dass die beiden noch lange weitermachen wollen. Und der Erfolg gibt ihnen ja Recht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Lars-Christian Daniels
23. November 2020
23. November 2020