Tatort-Schock in Dortmund: Wie das Drama angedeutet wird
Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost
Ein Paukenschlag zum Tatort-Jubiläum [ACHTUNG, SPOILER]
Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum der Tatort-Folgen aus Dortmund mussten die Fans der Ermittler aus dem Ruhrgebiet am 20. Februar 2022 einen heftigen Schock verdauen: Am Schluss der von uns mit der Höchstwertung ausgezeichneten, hochspannenden Tatort-Folge Liebe mich!, in der Peter Faber (Jörg Hartmann) und sein Team den Frauenmörder Nils Schmelzer (Henning Flüsloh) überführen, wird Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) von dessen Zwillingsschwester Julia Ihle (Marlina Mitterhofer) erschossen.
Die Hoffnung, Bönisch könne den Schuss in ihren Oberkörper überleben, wehrt im Film nur kurz: Als die Kamera den Raum verlässt, in dem Bönisch vor Fabers Augen zusammenbricht, rollen Krankenwagen an – doch für die tödlich getroffene Kommissarin kommt jede Hilfe zu spät. Sie stirbt. Von den Sanitätern gerettet wird nur noch Bönischs Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), die von dem als Bestatter tätigen Schmelzer in einen Sarg gesperrt wird und fast erstickt.
Der Tatort endet mit einer Szene, in der Faber neben Bönischs Leiche kauert und um die tote Kommissarin trauert, in die er verliebt war – direkt danach folgt der Abspann.
Peter Faber (Jörg Hartmann) trauert um die tote Martina Bönisch (Anna Schudt). Bild: Das Erste
Wie das Drama im Vorfeld angedeutet wird
Dass es im Tatort Liebe mich!auf der Zielgeraden zum tödlichen Drama kommt, ließ sich im Vorfeld durchaus erahnen, denn Hauptdarsteller Jörg Hartmann hatte bereits im Dezember 2021 im Podcast der ARD eine entsprechende Andeutung gemacht.
Auf die Tatsache angesprochen, dass es mit Blick auf den von ihm gespielten Faber in den letzten Dortmunder Folgen Heile Welt, Masken und Gier und Angstetwas ruhiger zugegangen sei, antwortete der Schauspieler wörtlich:
Wenn man den dramaturgischen Bogen unserer ganzen Reihe betrachtet, dann ist das […] ein Teil in dieser Horizontale. […] Es wird demnächst auch mal wieder Anderes passieren. Man muss ja irgendwie mal Luft holen vor dem nächsten großen Knall. […] Es werden sicher wieder mal Dinge passieren, die Faber in andere Zustände bringen – oder auch in ganz neue.
Mit diesen „Dingen“ war offensichtlich der Tod von Martina Bönisch gemeint.
Auch im Film selbst gibt es frühzeitig Anzeichen dafür, dass die Kommissarin in Lebensgefahr gerät. Schon bei der einleitenden Entdeckung der Frauenleiche im Bestattungswald spricht Bönisch mit Faber darüber, ob dieser nach seinem Tod verbrannt werden wolle, und darüber, wie friedlich sie diesen Bestattungswald findet. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie nicht, dass ihr eigenes Lebensende sehr nah ist. Nach dem Dialog, in dem Bönisch nachdenklich und entrückt wirkt, mustert Faber seine Kollegin mit sorgenvoller Miene:
BÖNISCH: Wollen Sie später mal verbrannt werden?
FABER:
Ich wollte schon oft sterben, aber darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
BÖNISCH:
Mir würde es an so ’nem Ort gefallen. So friedlich hier.
Später bemerkt Bönischs Kollege Jan Pawlak (Rick Okon), dass die Opfer des Frauenmörders Martina Bönisch sehr ähnlich sehen.
Es gibt aber nicht nur auf der Tonspur, sondern auch in der Bildsprache Andeutungen, dass uns in diesem Dortmunder Tatort ein blutiges Drama bevorsteht – und dass es eine Person aus dem Ermittlerteam treffen könnte. Als Bönisch im Präsidium eine Freundin des ersten Opfers befragt, gießt Faber in der Küche einen Früchtetee auf – und die Kamera verharrt anschließend drei (!) Sekunden lang auf dem Henkelglas, in dem sich das heiße Wasser durch den Teebeutel blutrot einfärbt. Anschließend stellt Faber das Glas vor Bönisch auf den Tisch:
Zufall? Das Teewasser im Präsidium färbt sich blutrot. Bild: ARD
Noch eindeutiger wird der Todesfall durch einen Gegenstand im Büro angedeutet: Die später ermordete Bönisch findet an ihrem Arbeitsplatz einen Spiegel, auf dessen Rückseite ein Totenkopf abgebildet ist. Bönisch nimmt den Spiegel in die Hand und betrachtet ihn, kann damit aber scheinbar nichts anfangen und legt ihn auf Herzogs Schreibtisch.
Herzog findet den Gegenstand später, betrachtet ihn ebenfalls und gerät im Anschluss in Lebensgefahr, weil Serienmörder Schmelzer sie entführt und in den Sarg sperrt. Als Letzter entdeckt den Totenkopf schließlich Faber, der sich bekanntlich schon häufiger das Leben nehmen wollte – und Bönisch in diesem Tatort nicht mehr retten kann.
Ganz sicher kein Zufall: der Totenkopf im Präsidium. Bild: ARD
Als Herzog in die Fänge des Psychopathen gerät, deutet zunächst alles darauf hin, dass sie diejenige ist, die in diesem Tatort ums Leben kommt – doch der kurzen trügerischen Sicherheit nach ihrer Last-Minute-Rettung aus dem Sarg folgt der finale Schockmoment, an dem Bönischs Ex-Lover eine große Mitschuld trägt.
SpuSi-Chef Sebastian Haller (Tilman Strauß), dem die Kommissarin im Tatort Gier und Angst den Laufpass gab und der sich in der ersten Filmhälfte selbst als Tatverdächtiger aufdrängt, hält eine wichtige Erkenntnis gegenüber den Ermittlern zurück, so dass Faber & Co. Schmelzers zweieiiger Zwillingsschwester Julia Ihle nicht früh genug auf die Schliche kommen und diese den tödlichen Schuss abfeuern kann.
Sie erschießt Martina Bönisch: Julia Ihle (Marlina Mitterhofer). Bild: WDR/Bavaria Fiction/Thomas Kost
Zum Ausstieg von Anna Schudt
Durch den Tod von Martina Bönisch ist klar, dass Anna Schudt den Tatort aus Dortmund pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum verlässt – und auch das ist bei näherer Betrachtung keine ganz große Überraschung. Die Schauspielerin, die privat mit ihrem Kollegen Moritz Führmann liiert ist und sich 2020 in der köstlichen Mockumentary How To Tatort einmalig selbst spielte, ist schließlich auch abseits der Krimireihe eine gefragte Künstlerin. Schudt sagte in der offiziellen WDR-Mitteilung zu ihrem Ausstieg:
Abschied vom Dortmunder Tatort zu nehmen, ist mir sehr schwer gefallen. Denn im Gegensatz zum häufig angespannten Arbeitsklima in der Dortmunder Mordkommission fühlt sich jeder Dreh fast wie ein vertrautes Familientreffen an. Martina Bönisch zu spielen, hat in den letzten zehn Jahren einen großen Platz in meinem Herzen eingenommen. Aber ich finde, dass es nach den 22 intensiven Einsätzen der toughen Kommissarin mit all ihren Stärken und Schwächen nun an der Zeit ist, Lebewohl zu sagen. Für mich entsteht damit Raum für Neues, auf das ich mich sehr freue. Ich bin wahnsinnig stolz darauf, dass ich Teil dieses wunderbaren Teams sein durfte. Wie es mit Faber ohne Bönisch und dem Dortmunder Team weiter geht, werde ich von nun an gespannt als Zuschauerin verfolgen.
Ihr Tatort-Debüt gab Anna Schudt 2012 in Alter Ego – dem Krimi also, in dem erstmalig vier Tatort-Kommissare aus derselben Stadt auf Mördersuche gingen. Neben Faber und Bönisch ermittelten damals die jungen Oberkommissare Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske), die den Tatort aus dem Ruhrgebiet 2017 und 2020 verlassen haben.