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Alles umsonst

Folge: 97 | 11. März 1979 | Sender: NDR | Regie: Hartmut Griesmayr

Bild: NDR/Tele Press

So war der Tatort:

Provinziell. 

Denn im miefigen Milieu der dörflichen Strukturen einer Kleinstadt endet ein Ehedrama tödlich – und außer den beiden Protagonisten, die einen heimtückischen Plan für den perfekten Mord geschmiedet haben, wirkt niemand wirklich sympathisch in diesem Ort.
Einst hatte Erich Schmidt (Horst Michael Neutze, Spätlese) voller Hoffnung in die Bäckerei seines Schwiegervaters eingeheiratet, doch hinter der Fassade des Geschäftsbetriebs ist sich das Ehepaar Schmidt nur noch in herzlicher Abneigung verbunden: Erichs Ehefrau Olga (Katharina Tüschen, Der unsichtbare Gegner) hat ihre helle Freude daran, den Gatten zu demütigen. Ihr gehört das Geschäft, das noch immer den Namen des Vaters trägt. Keine Chance für den Bäckermeister, der Unterdrückung zu entfliehen – allein der wöchentliche Kegelabend bringt Abwechslung in sein Leben. Er hat schon lange resigniert, sich in sein Schicksal ergeben, bis sich eine zarte Beziehung zwischen ihm und der Bäckereifachverkäuferin Anni Klein (Monica Bleibtreu, Abschaum) entwickelt. 
Beide werden massiv unter Druck gesetzt: Erich von seiner Frau Olga, Anni von ihrer Mutter (Katharina Brauren), die ihr zusetzt, sie solle sich doch einen richtigen Mann suchen. Einem möglichen Neuanfang steht aber im Weg, dass die Scheidung für den Bäcker finanziell nicht in Frage kommt. So lässt Autor Theodor Schübel in seinem feinen Drehbuch einen Mordplan entstehen, bei dem durchaus Verständnis für den Täter aufkommen kann.


KEGELBRUDER:

Die Olle hatte Haare auf den Zähnen und der Erich hatte bei ihr nichts zu lachen.


Seinen ersten Tatort, dem noch 25 weitere folgen, inszeniert Regisseur Hartmut Griesmayr (Haie vor Helgoland) fokussiert auf das Drama – für Diether Krebs (Himmelfahrt) bleibt bei seinem ersten und einzigen Auftritt als Hauptkommissar Nagel in dieser Dreiecksgeschichte wenig Platz. Er taucht in Alles umsonst erst im zweiten Filmdrittel auf, ermittelt sachlich, zielgerichtet und wortkarg. Eine gewisse Distanz zu den Menschen in der engen Kleinstadt und ihrer Lebensgestaltung kann er nicht verbergen. 

Beim Versuch, das Verbrechen in diesem klassischen Howcatchem aufzuklären, stehen ihm völlig überkommene Moralvorstellungen im Wege. Viele Protagonisten versuchen, ihre Geheimnisse zu schützen. Der Stadtrat etwa, der meint, auf dem Weg von seiner Geliebten den Mörder gesehen zu haben. Er geht nicht zur Polizei, weil das seinem Ruf schaden könnte. Was fünf Jahre zuvor im Haferkamp-Tatort Der Mann aus Zimmer 22 (auch mit Monica Bleibtreu) gerade noch funktionierte, wirkt hier allerdings seltsam antiquiert. 
Wie aus der Zeit gefallen scheint auch die Einrichtung der Bäckerei, der Wohn- und Schlafzimmer. So nimmt die Ausstattung sehr schön das Gesellschaftsbild auf, das Schübel entwirft. Es ist geradezu Voraussetzung für die Tragödie, die sich in der Kleinstadt entwickelt hat. Allein die Frauen sind hier stark genug, sich dem Leben zu stellen – ob nun die sanfte, alleinerziehende Anni oder die energische Olga.
Aus Waschlappen hingegen besteht die Männertruppe: An der Spitze steht der Vater von Anni, den seine Frau überhaupt nicht zu Wort kommen lässt („Du bist doch der gleichen Meinung, Jürgen, nicht wahr.“). Auch der Stadtrat gibt ein jämmerliches Bild ab. Und nicht zuletzt scheitert Erich Schmidt: Als der sich wagt, das das Heft des Handelns zu ergreifen, macht ihm seine Frau letztlich doch wieder einen Strich durch die Rechnung. 
Kommissar Nagel muss Erich und Anni in die Zange nehmen, doch deren Tatmotiv ist für den Zuschauer geradezu aufreizend gut nachzuvollziehen. So reduziert das Drehbuch die Aufgabe des Kommissars auf das gerade noch für einen Krimi Notwendige. Zurückhaltend, aber sehr präsent, interpretiert Diether Krebs den Ermittler. Sein Assistent Henkel hingegen bleibt blass: Zigarre rauchend spielt sich Günter Heising mit Routinebefragungen durch den Krimi, der ursprünglich als fünfter Fall für Henkels früheren Chef – Kommissar Heinz Brammer (Knut Hinz) aus Hannover – geplant gewesen war. 
Vielleicht am ehesten zu verstehen ist Alles umsonst als dunkler Bruder von Reifezeugnis. Das Drama und die zarte Liebesgeschichte stehen im Vordergrund. Ein stilles Kammerspiel, das vor allen von der Interaktion zwischen Bleibtreu, Neutze und Tüschen lebt. Schübels Drehbuch ist kaum interessiert am eigentlichen Kriminalfall. Unspektakulär ist dann auch der Mordplan: Nicht besonders originell, was sich Erich und Anni da ausgedacht hatten.

Bewertung: 8/10

Kommentare

Eine Antwort zu „Alles umsonst“

  1. Das ist jetzt aber schade, dass der doch in einigen Szenen erkennbare Drehort Braunschweig zur Kleinstadt und Nagel zum Hannoveraner – bloß weil ein seitenverkehrter Stadtplan im Büro hängt – gemacht wird.
    Ein immer wieder gern gesehener Tatort, der durch seine Unaufgeregtheit glänzt.

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