Bild: NDR/WDR

Duisburg-Ruhrort

Folge 126

28. Juni 1981

Sender: WDR

Regie: Hajo Gies

Drehbuch: Horst Vocks, Thomas Wittenburg

So war der Tatort:

Legendär.

Denn in Duisburg-Ruhrort feiert der bei großen Teilen des Publikums und vielen Kritikern bis heute beliebteste Tatort-Kommissar überhaupt sein Debüt und leitet im Sommer 1981 mit seinem ersten Auftritt eine einmalige Erfolgsgeschichte ein.

Götz George, vor seinem ersten Einsatz als Ruhrpott-Kommissar in den 70er Jahren bereits dreimal in Tatort-Nebenrollen zu sehen (in Blechschaden, Rattennest und Transit), revolutioniert die angestaubte deutsche Krimi-Landschaft mit seiner Paraderolle als Horst Schimanski in eindrucksvoller Art und Weise. Er macht das Wort „Scheiße“ wie keine zweite TV-Figur salonfähig und verkörpert einen bis dato nicht für möglich gehaltenen Ermittler-Typus.

Der feldjackentragende Kommissar trinkt in jeder freien Minute Pils und Schnaps, flucht auf dem Präsidium und wütet durch den Duisburger Hafen. Schimanski zettelt Schlägereien an und erklärt Pommes und Currywurst im 126. Tatort praktisch zum Grundnahrungsmittel. Das schmeckte damals bei weitem nicht jedem: Während Teile der Medien „Schimmi“ als Ruhrpott-Rambo ablehnten, wird er bei seinen zahlreichen Fans, die verbohrte Beamte und vorschriftstreue Vorzeige-Ermittler satt haben, zur Kultfigur.

Regisseur Hajo Gies (Ausweglos), der in den Folgejahren noch viele weitere Schimanski-Fälle wie Zahn um Zahn oder Moltke inszeniert, tastet sich trotz des bahnbrechend neuen Konzepts aber keineswegs behutsam an seine Figur heran, sondern schmeißt den Zuschauer ins kalte Wasser: Schon in der Eröffnungssequenz sehen wir Schimanski am Fenster seiner schlichten Wohnung, blicken mit ihm über die graue Stadt und werden kurz darauf Zeuge dessen, wie er sich mangels sauberer Bratpfannen zwei rohe Eier zum Frühstück runterkippt. Bis heute eine der berühmtesten (und zugleich besten) Schimanski-Szenen.

Bei einer solch extremen Figur bedarf es natürlich eines ruhigeren Gegenpols, die den rüpelhaften Ruhrpott-Sheriff als Polizisten mit Verantwortung erdet: Im Duisburger Tatort ist dies für viele Jahre Christian Thanner (Eberhard Feik, Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer), der ebenfalls kein Kind von Traurigkeit ist.

Zwar trägt Schimanskis Partner schon beim Auftakt biedere gelbe Pullunder zu eigenwilligen rosa Hemden, legt sich aber schon mal mit einer ganzen Rocker-Clique an, in deren Reihen der spätere Bang Boom Bang-Knacki Ralf Richter (Der König kehrt zurück) und der spätere Manta Manta-Macho Uwe Fellensiek (Der Mörder und der Prinz) in köstlich überzeichneten Nebenrollen zu entdecken sind. Dennoch bleibt Thanner auch in Zukunft der vorschriftstreuere der beiden und muss im Anschluss natürlich das Protokoll schreiben.


SCHIMANSKI:
Du hast die Scheiße gebaut – du bringst sie zu Papier.

Größte Stärke des Drehbuchs von Horst Vocks und Thomas Wittenburg, die in den Folgejahren noch häufiger für Schimanski und andere Teams die Feder führen, ist die gekonnte Charaktereinführung, die sich fast ausschließlich aus den Ermittlungen ergibt und so genügend Raum für einen klassischen Whodunit mit überraschender Auflösung bietet. Kein privater Firlefanz, kein unnötiges Drumherum.

Schimanski und Thanner harmonieren schon zum Auftakt hervorragend und passen zum rauen Arbeitermilieu und der tristen Ruhrpottkulisse, die Gies mit grauen Betonfassaden, verregneten Hafenanlagen und baufälligen Backsteinhäusern authentisch einfängt, wie die Faust aufs Auge.

Der wegweisende Schimanski-Auftakt Duisburg-Ruhrort ist daher nicht von ungefähr eine der bekanntesten und bis heute am häufigsten wiederholten Tatort-Folgen – und zugleich ein eindeutiger Meilenstein der Krimireihe.

Bewertung: 10/10


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