Hollywoodverdächtig – und das gleich aus drei verschiedenen Gründen.
Der erste: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, Schimanskis Waffe), der Ami-Bulle, der einleitend mit Sonnenbrille im roten Cabrio durch die Hitze Miamis flitzt und sich trotz legerem Outfit nachhaltig für eine Gastrolle in der US-Kultserie Miami Vice empfiehlt.
Der zweite: das Skript, in dem Drehbuchautor Nikolaus Stein von Kamienski (Pauline) mit den US-Ermittlern, der Kölner Mordkommission, dem Kölner Drogendezernat unter Leitung des schmierigen Assenbach (Paul Faßnacht, Die Frau im Zug), dem BKA mit Kriminalrat Körber (Ex-Kriminaloberkommissar Ihle, Peter Bongartz, Kassensturz) und der Sicherheitsfirma um den skrupellosen Wachdienstmogul Garry Busch (Thomas Thieme, Das Dorf) gleich fünf verschiedene Parteien, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen sollen, aufeinander loslässt.
Der dritte: der actiongeladene Showdown im Kölner Hafen, der sich gewaschen hat. Blendgranaten, fulminante Stürze durch Glasdächer, Scharfschützen und Kugelhagel: Die Filmemacher um Regisseur Kaspar Heidelbach (Klassentreffen) entscheiden sich für die Hollywood-Variante und fahren zum großen Finale ordentlich Explosionen und Stunts auf.
Freddy Schenk (Dietmar Bär, Zweierlei Blut), der anders als sein Kollege Ballauf zum ersten Mal im Tatort ermittelt, steht dabei als Geisel zwar im Mittelpunkt, bleibt aber letztlich doch staunender Zuschauer: Schenk ist im 371. Tatort erst Oberkommissar und muss sich gegenüber dem leitenden Hauptkommissar Ballauf noch zurückhalten.
Dass man dem charismatischen Cowboystiefelträger, der eine protzige „Zuhälterkarre“ (Ballauf) zu seinem Dienstwagen zweckentfremdet, kurz vor seiner Beförderung einen Karriere-Konkurrenten vor die Nase setzt, passt dem zweifachen Familienvater natürlich gar nicht: Ballauf ist schließlich nicht nur sein neuer Chef, sondern war als Hauptmeister bereits achtmal im Düsseldorfer Ermittlerteam an der Seite von Kommissar Bernd Flemming (Martin Lüttge) im Einsatz.
Köln trifft auf Düsseldorf, der Familienmensch Freddy auf den eisernen Junggesellen Max, dazu die weggeschnappte Beförderung: Lautstarke Wortgefechte sind ebenso vorprogrammiert wie beleidigtes Siezen („Der Name ist Schenk!“) und heimliche Nachforschungen hinter dem Rücken des Anderen.
Ohnehin hat es Amerika-Rückkehrer Ballauf, der einleitend den blutigen Tod seiner Geliebten Eileen (Shellye Broughton) verkraften muss, bei seinem Dienstantritt in in der Domstadt nicht leicht: Es hagelt verweigerte Handschläge und eine frostige Begrüßung durch Staatsanwalt von Prinz (Christian Tasche, Kaltes Herz). Immerhin: Seine neue Sekretärin Lissy Pütz (Anna Loos, Nachtgeflüster) die noch bis zum Quartett in Leipzig im Kölner Tatort zu sehen ist, bietet ihm gleich ihre Wohnung an. Doch Ballauf ist Profi – und stellt die Frauen als Neuling in einer fremden Stadt erstmal hinten an.
Eine herrliche retrospektive Parodie für den Zuschauer, der Ballauf und Schenk aus neueren Folgen kennt. Der Start des Films in bester James Bond-Manier ist unschlagbar und Ballauf hätte noch charismatischer gezeichnet werden können, doch leider deutet sich schon in der ersten Folge an wie er zum wandelnden Moralapostel am Rhein konvertieren wird. In teilweise an irrsinnigem Kitsch kaum zu überbietenden Dialogen und sogar Ballaufs zwischenzeitlicher Rücktritt bieten beste Unterhaltung bis zum fulminanten Finale. Ein ganz starker Auftakt.
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