Bild: SWR

Kalte Herzen

Folge 440

2. April 2000

Sender: SWR

Regie: Thomas Bohn

Drehbuch: Thomas Bohn

So war der Tatort:

Von einem Hauch von Hollywood durchzogen.

Denn Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) trifft in ihrem zehnten Fall, bei dem sie erneut ihr temperamentvoller Kollege Mario Kopper (Andreas Hoppe) unterstützt, nicht nur Supermodels und international berühmte Schauspieler: Zeitweise entflieht sie in diesem auch handwerklich sehr amerikanisch arrangierten Tatort sogar dem grauen Ludwigshafen und ermittelt vor der schmucken Kulisse der Hollywood Hills in Los Angeles. Kein Scherz.

Aber Hollywood und Tatort? Da werden böse Erinnerungen an die mit vernichtender Kritik überzogene Berliner Krimi-Satire Ein Hauch von Hollywood wach, die auch für unsere Redaktion bis heute als einer der qualitativ schwächsten Beiträge der Reihe gilt. Und hier kein gutes Omen ist, denn die Verantwortlichen des SWR erleiden mit ihrem Experiment Kalte Herzen ebenfalls krachend Schiffbruch.

Dabei klingt die Story des später zunehmend umstrittenen Regisseurs und Drehbuchautors Thomas Bohn (Tod im All), der auch in der Rolle des flüchtigen Fotografen Marlo Trekkers vor der Kamera zu sehen ist, noch halbwegs glaubwürdig: In einem Hotel wird das amerikanische Topmodel Amy Bell (Giulia Siegel) erstochen. Die Klatschpresse interessiert sich brennend für den Mord, weil Bell auch prominent verheiratet war – und zwar mit dem deutschen Hollywood-Schauspieler Thomas „Tom“ Soengen (Max Tidof, mimt später mehrfach den arroganten Ludwigshafener Oberstaatsanwalt Marquardt, vgl. Unter Wölfen). Und auch der hat mal klein angefangen.


KOPPER:
Vor fünf Jahren kriegte Soengen seine erste Rolle in einem Tatort.

Was zu diesem frühen Zeitpunkt noch originell und selbstironisch wirkt, entwickelt sich bald zum Ärgernis: Spätestens, wenn Soengen und seine als Klischee auf zwei Beinen daherkommende PR-Agentin Frenzy Soutter (Gila von Weitershausen, Der Präsident) die Bildfläche betreten, ist es mit der Glaubwürdigkeit schnell vorbei. Soengens gestelztes Getue und das bemüht toughe Auftreten seiner Aufpasserin driften in fast jeder Szene in die unfreiwillige Komik ab. Noch weniger ernst zu nehmen ist nur Sergeant Lou Browster (Jaymes E. Butler), der aus Kalifornien in die Kurpfalz geschickt wird („Where the hell is Ludwigshafen?“), um bei der Aufklärung des Mordes zu helfen, aber praktisch nichts zu ihr beiträgt. Bedeutungsschwangere Blicke und fast perfekte Sätze auf Deutsch scheinen seine Kernkompetenz zu sein.

Bezüglich der Sprachsensibilität hat der Krimi, der auch mit zahllosen unnötigen Nacktszenen aufwartet, generell reichlich Luft nach oben. Ständig vergreifen sich die Figuren im Ton, berauschen sich in anstrengender Häufigkeit an ordinären Ausdrücken oder driften gar in die Vulgärsprache ab. Exemplarisch hierfür steht die besonders bizarre Sequenz, in der Soengens Agentin die Frage nach ihrem Alibi in Anwesenheit des afroamerikanischen Sergeants Browster so beantwortet:


SOUTTER:
Ich habe mich für 200 Dollar kräftig durchbumsen lassen. Von einem Schwarzen.

Rassismus ist in der 440. Tatort-Folge aber keineswegs ein Privileg der High Society: Den Vogel schießt ausgerechnet Kopper ab, der den LAPD-Kollegen am Telefon als „Sarotti“ tituliert. Ansonsten sind es vor allem die Szenen zwischen Kopper und Kriminalrat Friedrichs (Hans-Günter Martens), mit denen der Film der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Da unterhalten sich die beiden zunächst lautstark aus den geöffneten Fenstern des Präsidiums heraus, wobei – Deus ex machina-like und vor den Augen einer verdutzten Passantin – mal eben das Rätsel um die Gravur in einem Ehering gelöst wird. Später folgt eine alberne, halsbrecherische Autofahrt, deren Sinn sich nicht erschließt.

Der Twist nach 45 Minuten ist für das halbwegs erfahrene Krimi-Publikum genauso früh vorher zu sehen wie die Antwort auf die Frage, wer das Model wohl umgebracht hat. Dass Lena Odenthal aus Ermittlungsgründen nach L.A. fliegen und am Strand von Long Beach entlang joggen darf, ist da ein schwacher Trost. Am Ende wird in quälend langen Dialogen dargelegt, was längst offensichtlich ist – und beim absurden Showdown auf dem berühmten weißen Hollywood-Schriftzug (!) gehen mit Bohn dann endgültig die Gäule durch.

Dass Kalte Herzen – auch der Titel wirkt seltsam beliebig – dem Prädikat Totalausfall knapp entgeht, hat zwei Gründe: Der Film hat eine starke, wenn auch plakativ vorgetragene Botschaft. Allen sprachlichen Entgleisungen zum Trotz wirbt er für Diversität und Toleranz und erfüllt damit zumindest den Bildungsauftrag. Zudem ist Ottfried Fischer in einer Nebenrolle als Hoteldirektor Schmiedle zu sehen; zum ersten und einzigen Mal gibt er sich im Tatort die Ehre. Man hätte ihm einen würdigeren Rahmen und dem Film mehr von seiner Bodenständigkeit gewünscht. Es muss nicht immer Hollywood sein.

Bewertung: 2/10


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