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Direkt ins Herz

Folge: 449 | 6. August 2000 | Sender: WDR | Regie: Wolfgang Panzner

Bild: WDR/Guido Engels

So war der Tatort:

In Feierlaune.

Denn wirklich groß scheint der Abschiedsschmerz nicht zu sein, als Assistentin Lissy Pütz (Anna Loos) zu Beginn ihres zwölften Einsatzes für die Kölner Kripo feierlich ankündigt, dem Präsidium bald den Rücken kehren zu wollen: Pütz hat ihre Abschiedsparty, die man sich später nicht einmal vom aufgebrachten Polizeipräsidenten (Olaf Kreutzenbeck, Eine Leiche zu viel) versauen lässt, schon organisiert und will sich zukünftig auf ihre Gesangskarriere konzentrieren. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie – schließlich läuft Direkt ins Herz zu einem Zeitpunkt, in dem auch die Zweitkarriere der Schauspielerin und späteren Silly-Sängerin Anna Loos gerade an Fahrt aufnimmt. 
Diese augenzwinkernde Anspielung bleibt nicht die einzige: Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Panzer (Licht und Schatten) scheint sich einen Spaß daraus zu machen, humorvoll angehauchte Querverweise in seiner Kreuzung aus klassischem Whodunit, actionreichem Sniper-Thriller und tragischer Cop-Romanze einzubauen. 
Schon als Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und die attraktive Modeverkäuferin Franka Hecker (Anja Kling, Dunkle Zeit) zum ersten Mal allein Zeit miteinander verbringen und vor Heckers Laden nachstellen, aus welcher Richtung ihr Ehemann Charly (Bernd Tauber) von einem Scharfschützen heimtückisch erschossen wurde, entdeckt Ballauf durchs Fernglas das Hochhaus, auf dem der Sniper stand – es befindet sich genau hinter dem Sendergebäude, an dem groß ein WDR-Logo prangt. 
Auch einen Gastauftritt von Ballaufs pensioniertem Düsseldorfer Ex-Kollegen Bernd Flemming (Martin Lüttge), der sich kurz in die Ermittlungen einklinkt, und einen verbalen Gruß an die s(w)ingenden Hamburger Tatort-Kommissare Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) hat der Filmemacher in seinen fünften und zugleich letzten Tatort eingebaut.



PÜTZ:
Auf jeden Fall werd‘ ich in dem Loch hier nicht versauern.

SCHENK:

Wir könnten doch als Background-Chor bei ihr einsteigen.



BALLAUF:
Singende Kommissare?!

SCHENK:

Ja, Max, das gibt’s!


Wenngleich Flemmings sympathisches Gastspiel samt Video-Präsentation etwas konstruiert anmutet, zählt es noch zu den besseren Sequenzen im 449. Tatort, in dem ansonsten vieles gut gemeint, aber nur wenig gut gemacht ist. 

Denn trotz einiger rasanter, aber oft unbeholfen inszenierter Actionszenen und viel Emotionen kann der doppeldeutig betitelte Krimi zum Beispiel mit dem thematisch ähnlichen Münchner Tatort Im freien Fall, der wenige Monate später auf Sendung geht, bei weitem nicht mithalten: Ist es im Krimidrama aus Bayern Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), der sich schwer in die Künstlerin Anne Mars (Jeanette Hain) verliebt, trifft Amors Pfeil hier Ballauf Direkt ins Herz (und das nicht zum letzten Mal, vgl. Altes Eisen). 
So wähnt man sich in der ersten Dreiviertelstunde, in der der ewige Junggeselle und die frisch verwitwete Hecker intensiv auf Tuchfühlung gehen, oft eher in einer Rosamunde-Pilcher-Schmonzette als in einem Sonntagskrimi: Die dünnen Dialoge klingen wie aus dem Baukasten für kitschige Romanzen und werden nur selten durch markante One-Liner aufgebrochen (Hecker: „Diese Fischerweste ist ehrlich gesagt ’n bisschen affig.“). Klaus J. Behrendt, der schauspielerisch alles ihm Mögliche in die Waagschale wirft, mimt abwechselnd einen schüchternen Schuljungen, der verklemmt nach getrennten Schlafzimmern fragt, und dann wieder den routinierten Casanova, der bei Hecker zum Schuss kommen will, ohne die Dienstwaffe zücken zu müssen. 
Sein Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär), der gerade in der ersten halbe Stunde weniger Kamerazeit eingeräumt bekommt, hat’s natürlich gleich geahnt, weil die Fischerweste irgendwann im Schrank bleibt – das wirkt alles reichlich bemüht und dick aufgetragen, generiert aber hinten raus zumindest Spannung, weil der Weg zur Auflösung der Sniper-Morde nur über Hecker und ihre undurchsichtige Kollegin Elisabeth Leuschner (Emanuela von Frankenberg, Bierkrieg) führen kann.
Beim großen Showdown, in dem die Kommissare alte Bundeswehr-Verstrickungen und ein im Untergrund agierendes Verbrecher-Netzwerk auffliegen lassen, werden dann sogar Erinnerungen an die 007-Reihe wach: Die Bösewichter wirken wie Abziehbilder echter Gauner, während James „Ballauf“ Bond sich direkt in die Höhle der Löwen begibt und sich und das Bond-Girl mit einer Tackernadel aus einer misslichen Lage befreit. 
Dass die Liebe der beiden die temporeich inszenierte, zum Schluss aber fast in die unfreiwillige Komik abdriftende Tatort-Folge nicht überdauert, dürfte niemanden ernsthaft überraschen.

Bewertung: 4/10


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