Folge 470
13. Mai 2001
Sender: SWR
Regie: Martin Gies
Drehbuch: Harald Göckeritz
So war der Tatort:
Alkoholisiert – und gleichzeitig ziemlich ernüchternd.
Gute Freunde weist nämlich von Beginn an einen bedenklich hohen Promillepegel auf, oder anders gesagt: Der 13. gemeinsame Fall der Ludwigshafener Hauptkommissare Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) verkommt schnell zum irritierenden filmischen Saufgelage.
Aus heutiger Sicht drängen sich Parallelen zum maximal umstrittenen, aber um Längen besseren Schwarzwald-Tatort Ich hab im Traum geweinet auf, der 2020 erstmalig auf Sendung ging und in dem die Hauptkommissare Tobler und Berg ausgelassen Fasnet feiern, bevor sie betrunken miteinander in der Kiste landen. Was in Freiburg knapp 20 Jahre nach der TV-Premiere von Gute Freunde provokant und mutig erscheint, wirkt im Ludwigshafen des Jahres 2001 albern und unnötig: Auch Odenthal und Kopper wachen in einer sehr bemühten Szene verkatert im selben Bett auf – allerdings in voller Montur und beschämt wie Teenager.
Die vollkommen harm- und witzlose Bettszene nach einer Stunde steht sinnbildlich für eine wild zusammengeschusterte Geschichte, die zu keinem Zeitpunkt des Krimis überzeugt: Drehbuchautor Harald Göckeritz, der in den Jahren danach noch für Rohrkrepierer wie Der Schrei oder den Totalausfall Die Sonne stirbt wie ein Tier verantwortlich zeichnet, kreiert eine ebenso unlogische wie vorhersehbare Story, in der so gut wie nichts zusammenpasst.
Schon der Auftakt des Films liest sich wie ein schlechter Scherz: Der dauerbetrunkene, geistig zurückgebliebene Frank Resig (Jörg Schüttauf, sorgt von 2002 bis 2010 als Hauptkommissar Fritz Dellwo im Frankfurter Tatort für Furore) erschlägt nachts im Streit seinen besoffenen Kumpel Peter Kreuzer (Dirk Mühlbach, Fettkiller) mit einer Schnapsflasche und bittet den bekannten Talkshow-Moderator Tobias Buchert (Hans-Werner Meyer, Das erste Opfer) um Hilfe. Buchert und Resig kennen sich von früher und waren mal – der Episodentitel deutet es an – Gute Freunde, leben nun aber in verschiedenen Welten. Obwohl der viel zu gutgläubige Alki seinen einstigen Freund noch immer verehrt, beginnt er Buchert zu erpressen und bedroht zusammen mit dem dubiosen Import-Export-Unternehmer Nico Tober (Dino Nolting) sogar dessen Tochter Hannah (Bernadette Heerwagen, Avatar).
Klingt an den Haaren herbeigezogen? Ist es auch – und wird in der Folge leider nicht besser. Im Gegenteil: Der eingangs verübte Mord wird praktisch vergessen, denn Odenthal interessiert sich bald nur noch für den arroganten Buchert und den mysteriösen Unfalltod seiner Frau. Warum? Gute Frage, denn so richtig weiß die Kommissarin das selber nicht:
Hä? In der 470. Tatort-Folge wimmelt es geradezu von solchen sinnlosen Dialogen, die uns ratlos zurücklassen und die fehlende Substanz der Geschichte dick unterstreichen. Dass Gute Freunde über weite Strecken eine filmische Zumutung ist, hat aber noch weitere Gründe: Etwa den nervigen Nebenschauplatz um Koppers Geburtstag, der als penetranter Running-Gag nahezu pausenlos Erwähnung findet und einfach völlig fehl am Platz ist.
Insbesondere die Nebenfiguren sind zudem gnadenlos überzeichnet und werden reihenweise der Lächerlichkeit preisgegeben: Weder der dilettantische, breiten Pfälzer Dialekt sprechende Assistent Huber (Volker Metzger), der äußerlich an eine Figur aus Sketchup oder Nonstop Nonsens erinnert, noch Sekretärin Edith Keller (Annalena Schmidt) sind in diesem Tatort auch nur ansatzweise ernst zu nehmen. Letztere sorgt als fanatisches Buchert-Fangirl für zahlreiche Fremdscham-Momente, während SpuSi-Chef Peter Becker (Peter Espeloer) sich diesmal mit einem lustlosen Kurzauftritt fast schon elegant aus der Affäre zieht.
Schauspielerisch gewinnt auch der namhafte Cast keinen Blumentopf: Der bedauernswerte Jörg Schüttauf schwankt – im wahrsten Sinne des Wortes – permanent zwischen bemitleidenswertem Tropf und aufdringlichem Widerling, kann seiner Rolle aber ebenso wenig Tiefe verleihen wie Hans-Werner Meyer oder Bernadette Heerwagen, deren Figuren als Vater und Adoptivtochter wie Abziehbilder wirken. Dass zwischen den zwei Schauspielenden gerade einmal 13 Jahre (!) Altersunterschied liegen, macht die Konstellation doppelt absurd.
Auch die Inszenierung von Regisseur Martin Gies (Die Frau im Zug) weist neben hektischen Schnitten und anstrengend-harten Übergängen zwischen den Szenen grobe Schnitzer auf, was angesichts der unzähligen Mängel aber kaum noch ins Gewicht fällt. Wenn Odenthal etwa nach einem „Anschlag“ Bucherts kleinen Sohn tröstet und sich anschließend im Haus umsieht, wechselt binnen kurzer Zeit heller Tag zu dunkler Nacht. Und die Sequenz, in der Resig auf einer Baustelle verprügelt wird, dürfte ebenfalls kaum den qualitativen Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten genügen.
Das seltsam irritierende Ende inklusive fragwürdiger Botschaft trägt dann auch noch seinen Teil zum zweifelhaften Prädikat „Totalausfall“ für diesen völlig missglückten Tatort bei – und dazu, dass Gute Freunde einen ersten echten Tiefpunkt in der langen Geschichte der Lena-Odenthal-Folgen markiert. Leider jedoch nicht den letzten.
Bewertung: 1/10


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