Folge: 498 | 21. April 2002 | Sender: HR | Regie: Nikolaus Stein von Kamienski
Bild: HR/Claus Setzer
So war der Tatort:
Noch auf der Suche – nach einer neuen Linie und einem stimmigen Rhythmus.
Exemplarisch für die permanenten Tempowechsel, die Nikolaus Stein von Kamienski (Manila) bei Oskar an den Tag legt, steht bereits die ausführliche Einleitung, in der der Regisseur und Drehbuchautor die neuen Frankfurter Ermittler Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki), die das erste Mal für den HR im Einsatz sind, vorstellt.
Dellwo, bereits mitten im Geschehen, befindet sich gerade in einem Einsatz und hat nicht einmal Zeit, seine neue Kollegin, die vom Wirtschaftsdezernat zur Truppe stößt, bei der Mordkommission zu begrüßen. Sänger hetzt derweil direkt aus der Frankfurter U-Bahn aufs Präsidium und wird prompt zu einer Obduktion weitergeschickt. Unterbrochen wird dieser hektische Auftakt durch sekundenlange, verträumte Aufnahmen eines schwebenden Luftballons in Herzform, von einer verzweifelten Mutter an einen Müllcontainer mit Babyleiche geknotet, und nun auf seiner letzten, einsamen Reise über die Skyline Mainhattans.
Leider geraten diese Einschübe viel zu lang – einer von mehreren Gründen, warum der 498. Tatort erst nach einer halben Stunde in Fahrt kommt. Dann nämlich wird das tote Neugeborene, das in der letzten Einstellung des Krimis auf den Namen Oskar getauft wird, in einer Müllverbrennungsanlage gefunden, und zugleich eines klar: Mit Charlotte Sänger, die dem Tatort-Kosmos im April 2002 fast zeitgleich mit ihren Kolleginnen Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Klara Blum (Eva Mattes) beitritt, ermittelt ab sofort eine Kommissarin, die näher am Wasser gebaut ist als alle anderen Ermittlerinnen zuvor.
Der rätselhafte Fund der Babyleiche und der Raubmord in einem Pornokino, der den zweiten Handlungsstrang bildet, aber eher Bremsklotz als Antriebsfeder des Krimis ist, bedeuten emotionales Neuland für die unerfahrene Kommissarin, die sich bis dato nur mit Zahlen und illegalen Nummernkonten beschäftigt hat und dafür sogleich vom Staatsanwalt Dr. Scheer (Thomas Balou Martin, Bienzle und der Tag der Rache) aus der Reserve gelockt wird. Hundebesitzer Dellwo hingegen versucht, seine neue Kollegin in Watte zu packen und ist ähnlich erfolglos. Sänger entpuppt sich als charakterlich rätselhafte Figur, als verschlossene, höchst sensible Zeitgenossin, mit der weder Dellwo und ihr Chef Werner „Rudi“ Fromm (Peter Lerchbaumer, Eulenburg) noch der Zuschauer bei ihrem Debüt viel anzufangen weiß.
Die eigentliche Krimi-Handlung steht in Oskar – typisch für einen Tatort-Erstling – hinter der Einführung der Frankfurter Figuren zurück, vermag aber auch aufgrund der knappen neunzig Minuten, die sich angesichts der viel zu langen Einleitung auf gefühlte sechzig verkürzen, selten Spannung zu generieren. Es sei dem Hessischen Rundfunk verziehen: Mit Folgen wie Unter uns, Herzversagen oder Weil sie böse sind folgen in den nächsten Jahren schließlich zahlreiche Hochkaräter.
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