Folge: 513 | 3. November 2002 | Sender: SWR | Regie: Jobst Oetzmann
Bild: SWR |
So war der Tatort:
Lebensmüde.
Doch es ist nicht etwa die frisch verwitwete Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes), die nach dem Tod ihres Ehemannes Martin (Michael Gwisdek, verstorben beim einzigen gemeinsamen Einsatz in Schlaraffenland) von dieser Welt in die nächste fliehen möchte: Es ist die junge Manuela Seelbruck (Alexandra Schalaudek), die schon in jungen Jahren mit dem Leben abgeschlossen hat und sich per Abschiedsbrief von ihren Eltern und einer ganz besonderen Clique verabschiedet: einer Selbstmord-Community im Internet.
Schon Jahre bevor Facebook & Co. das Web 2.0 definieren und das Aufwachsen der Internet-Generation entscheidend mitprägen, mahnt der 513. Tatort, bei dem Blum erneut von Kommissar Bülent Isi (Ercan Özcelik) unterstützt wird, eine bedenkliche Entwicklung an. Anonymes Online-Verabreden zum Suizid – solche Fälle sorgten noch Jahre später für Aufsehen und sind bis heute kaum zu verhindern.
Drehbuchautorin Dorothee Schön (Der Wald steht schwarz und schweiget) versteht es zwar, dem weniger webaffinen Zuschauer die technischen Tücken und Gefahren entsprechender Communities näherzubringen, vernachlässigt bei der Suche nach dem Entführer von Manuela aber die Charakterzeichnung der Opfer: Weder im Hinblick auf Manuela, die von dem eiskalten Psychopathen Leander (André Hennicke, Inflagranti) verschleppt wird, noch im Hinblick auf ihre nicht minder lebensmüde Freundin Nicole (Lilia Lehner, Heimspiel) klären sich die Beweggründe für die Selbstmordpläne. Das erschwert es dem Publikum erheblich, um das Leben der Mädchen zu bangen und auf Rettung in letzter Sekunde zu hoffen.
Auch Leander, dem Blum und Isi dank des Verzichts auf das klassische Whodunit-Prinzip schon bald auf die Schliche kommen, wird charakterlich kaum skizziert. Bliebe also eigentlich genügend Zeit, sich beim ersten Einsatz nach dem Tod des geliebten Ehemannes näher mit der Kommissarin aus Konstanz auseinanderzusetzen – doch auch in 1000 Tode dringt der Zuschauer nie wirklich zur verschlossenen Blum durch, die in den oft aufgesetzt wirkenden Gesprächen mit Isi außer ein paar Lebensweisheiten wenig von ihrer Gefühlswelt preisgibt, durch.
Wegweisend ist 1000 Tode aber dennoch: Nach dem kitschigen Auftakt-Tatort Schlaraffenland inszeniert Regisseur Jobst Oetzmann (Im freien Fall) erstmalig einen typischen Blum-Krimi. Schicke Seepanoramen, einfühlsame Gespräche unter Frauen und eine melancholische Grundstimmung, die erst beim Showdown fiebriger Spannung weichen muss: Dieses unaufgeregte Rezept, das nicht allen Zuschauern schmeckt, dominiert die Krimis aus Konstanz auch in den nächsten Jahren und macht den Bodensee-Tatort im Hinblick auf die Einschaltquoten durchaus zu einem Sorgenkind der Reihe.
Auch der Humor, der beispielsweise die Münsteraner Kollegen Thiel und Boerne so beliebt macht, köchelt in Konstanz auf Sparflamme. Mit einer Ausnahme: Blum, die beim großen Finale todesmutig auf den offenen Bodensee hinausschwimmt, beweist vorm Sprung ins Wasser entwaffnenden Mut zur Selbstironie.
ISI:
Bist du verrückt geworden?BLUM:
Warum? Weil ich nicht aussehe wie die Mädels von Baywatch?
Bewertung: 5/10
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