Folge: 518 | 15. Dezember 2002 | Sender: rbb | Regie: Erhard Riedlsperger
Bild: MDR/SFB |
So war der Tatort:
Bitter – für und wegen Ritter.
Denn der smarte Berliner Hauptkommissar Till Ritter (Dominic Raacke) muss beim sechsten Einsatz an der Seite seines Kollegen Felix Stark (Boris Aljinovic) viel verkraften: Mal kommt dem Möchtegern-James-Bond ein von der Polizei konfiszierter, vorübergehend ausgeliehener Aston Martin DB5 abhanden, dann streckt man ihn mit einer Holzlatte nieder. Und schließlich sieht er sich auch noch dem Vorwurf der sexuellen Nötigung ausgesetzt. Obwohl er in diesem winterlichen Krimi viel Schokolade probieren darf, ist das Leben eben kein Zuckerschlecken – und bei seinem strengen Vorgesetzten Wiegand (Veit Stübner) steht Ritter auch noch auf der Abschussliste.
Die Berliner Vorweihnachtszeit bietet insgesamt wenig Besinnliches. Das gilt auch für den Auftakt, dessen Postkartenkulisse ebenfalls an 007 erinnert: Der angesehene Psychologe und Gerichtsgutachter Prof. Erwin Probst stürzt vom Grunewaldturm, nachdem er dort eine (in ihrer Form doch recht fragwürdige) Konfrontationstherapie gegen Höhenangst durchgeführt hatte, wie der emsige Assistent Lutz Weber (Ernst-Georg Schwill) berichtet. Ein Suizid kann ausgeschlossen werden. Zudem stellt sich heraus, dass Probst von seinem einstigen Klienten, dem gewalttätigen und vorbestraften Walter Meisner (August Schmölzer, Jagdzeit) bedroht wurde.
Über Meisner und dessen Selbsthilfeverein für Gutachtengeschädigte sowie ein am Tatort gesichtetes Auto führt die Spur zum Schokoladenfabrikanten Thomas Hofmann-Brixel (Rolf Becker, Ein paar Worte nach Mitternacht). Er wurde von seinen Stieftöchtern Ruth (Mavie Hörbiger, Die letzte Wiesn) und Alice (Magdalena Ackermann) wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Zwar wurde die Anzeige wieder zurückgezogen, doch schwebt das vom ermordeten Probst erstellte Gutachten noch immer wie ein Damoklesschwert über der Familie. Die zuständige Staatsanwältin Dr. Ellinghaus (Wieslawa Wesolowska) ist von der Schuld Hofmann-Brixels überzeugt und ermittelt weiter – sehr zum Missfallen von dessen Frau Margot (Michaela Rosen, Das Böse).
Drehbuchautor Gerhard J. Rekel (Edel sei der Mensch und gesund) entwirft in diesem Tatort ein Szenario, das zum einen die Grundlage für einen klassischen Kriminalfall bietet, zum anderen aber auch das Potenzial für ein emotionales Familiendrama birgt. Doch der Film funktioniert weder als das eine noch als das andere. Regisseur Erhard Riedlsperger (Die Liebe und ihr Preis) – genau wie Drehbuchautor Rekel aus Österreich stammend – versammelt bei seinem Tatort-Debüt mit Mavie Hörbiger, Michaela Rosen und August Schmölzer zwar mehrere namhafte Mimen aus seinem Heimatland um sich. Doch die biedere Inszenierung dieses über weite Strecken vorhersehbaren und in der Tonalität häufig wechselnden Whodunits, dessen Spannung nahezu durchgängig auf Sparflamme köchelt, will auch das nicht recht aufwerten. Überraschungsmomente lassen im 518. Tatort ebenso auf sich warten wie das Christkind.
Zudem lassen uns die Geschehnisse rund um die Familie Hofmann und ihre Schokoladenfabrik unberührt. Das liegt auch daran, dass die Figuren merkwürdig überzeichnet wirken; wir finden keinen Zugang zu ihnen. Das gilt allen voran für die infantil-aufreizende Ruth Hofmann, die dem als Frauenheld bekannten Ritter als misslungener Marlene-Dietrich-Verschnitt mit großen Kulleraugen den Kopf verdreht und ihm ständig Schoko-Leckereien in den Mund schiebt. Dabei säuselt sie eigentümlich nichtssagende Sätze.
Zartbitterschokolade ist aber noch in anderer Hinsicht ein Ärgernis: Dem Krimi, dessen Geschichte den Tiefgang vermissen lässt und der sich unbeholfen mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftigt, fehlt es auch sprachlich an der nötigen Sensibilität dafür. Ritter und Stark tappen bei der ersten Begegnung mit der weiblichen Geschäftsführung der Schoko-Fabrik voll in die Sexismus-Falle („Ich wette, Sie haben ’nen Kaffee für uns. Blond. Zwei Stück Zucker.“) und manche Dialoge wirken selbst für das Jahr 2002 komplett aus der Zeit gefallen.
STARK:Die Schokotorte ist jung, hübsch, reich. Irgendein medizinisches Problem, von dem ich etwas wissen sollte? Oder ist einfach dein Harem voll?
Gerade Stark, der einmal mehr den betont fürsorglichen Papi gibt und für seinen Kleinen sogar einen Schlitten zu Weihnachten besorgt, wirkt des Öfteren scheinheilig. Und durch den Umstand, dass es am Ende Stark ist, der als Bote und Fürsprecher der Familie Hofmann bei der Staatsanwältin vorstellig wird und um die Einstellung des Verfahrens bittet, sendet der Film eine zumindest fragwürdige Botschaft. Na dann, frohe Weihnachten.
Wenigstens wird es beim Showdown noch mal richtig dramatisch, wenngleich dem großen Finale weniger Overacting gut getan hätte. Und das über die Maßen kitschige Finale – einsetzender (Kunst-)Schneefall und lieblos in Szene gesetztes Überraschungsgeschenk für den mitgenommen Ritter inklusive – rundet diesen schwachen Berliner Tatort passend ab.
Bewertung: 3/10
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