Bild: BR/Moovie-the art of entertainment GmbH/Laurent Trümper

A gmahde Wiesn

Folge 674

23. September 2007

Sender: BR

Regie: Martin Enlen

Drehbuch: Friedrich Ani

So war der Tatort:

Oktoberfestlich.

Dass es im 46. Fall der Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) um das größte Volksfest der Welt geht, macht schon der Titel unmissverständlich deutlich – die eigentliche Wiesn startet aber erst ganz am Ende der Folge, in deren Zentrum stattdessen der heftige Konkurrenzkampf während der Vorbereitungen steht. Denn wer um jeden Preis mit Bierzelt oder Fahrgeschäft auf die Theresienwiese möchte, schreckt auch vor unlauteren Mitteln nicht zurück.

Das bekommt zu Beginn des 674. Tatorts unter Regie von Martin Enlen (Tod auf der Walz) der Stadtrat Hubert Serner (Bruno Graf) zu spüren, der als Mitglied des Wirtschaftsausschusses für die Vergabe von Lizenzen für das Oktoberfest beteiligt war. Seine Reinigungskraft Diana Aljescu (Anita Matija, Die Zeit ist gekommen) findet ihn ertrunken in seinem Gartenteich, nachdem er zuvor bereits angegriffen und angeschossen wurde.

Das bayrische Ermittlerduo bekommt schnell zu hören, dass der Tote sich gerne mit der ein oder anderen Dame eingelassen hat und bei seiner Entscheidungsfindung eher nach Sympathie vorgegangen ist. Daher ist gleich eine ganze Reihe an Personen mordverdächtig, die um ihren Platz auf der Theresienwiese bangen – zum Beispiel die Schausteller-Geschwister Renee (Bettina Redlich, Der tiefe Schlaf) und Fridolin Zoll (Michael Tregor, Die ewige Welle), oder die Wirtsfamilien Buck um Mutter Johanna (Monika Baumgartner, Tod auf der Walz) mit Tochter Evelin (Franziska Schlattner, Liebe macht blind) und Neureuther um Vater Xaver (Fred Stillkrauth, Der oide Depp) mit Sohn Timo (Joram Voelklein, Schwarzer Peter).

Sowohl deren Teilnahmen am Oktoberfest als auch die Frage, wer Serner auf dem Gewissen hat, sind somit keine „gmahde Wiesn“ – also keine todsichere Sache, wie es dem nicht-bayrischen Publikum im Vorspann des Films dankenswerterweise erklärt wird. So begeben sich Batic und Leitmayr mit Unterstützung von Assistent Carlo Menzinger (Michael Fitz) auf die Suche nach Täter oder Täterin und machen sich mit der Welt der geschäftstüchtigen Wiesn-Wirtinnen und scheinbar unbestechlichen Politikern vertraut.

Espresso-Liebhaber Carlo sehen wir hier in seinem vorletzten Fall, ehe er in Der Traum von der Au dank einer plötzlichen Erbschaft in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet wird. Und Batic kommt bei den Recherchen der koketten Evelin deutlich zu nah: Er lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein und gefährdet damit nicht nur die Ermittlungen, sondern potenziell auch seinen Job, weshalb die beiden Münchner Kommissare wie so oft ganz wie ein altes Ehepaar aneinandergeraten.


BATIC:
Ach darum geht’s, du findest sie zu jung für mich, du bist eifersüchtig!

LEITMAYR:
Ja, Liebling, ich bin eifersüchtig! Was haben diese jungen Dinger, was ich nicht hab, Liebling?

Diese lustige Szene steht exemplarisch für den humorvollen Grundton, den Drehbuchautor Friedrich Ani (Das Glockenbachgeheimnis) in diesem Tatort anschlägt. Denn trotz des Mords zu Beginn und der ernsthaft-existenziellen Sorgen der Oktoberfest-Anwärter bleibt dieser mit reichlich gefälliger Blasmusik unterlegter Krimi doch stets leicht und oberflächlich. Dem Opfer trauert niemand nach; alle arbeiten fleißig auf die Eröffnung der Wiesn hin, während die Kommissare zwischen halbaufgebauten Festzelten und Toilettenanlagen so vor sich hin ermitteln.

Ein kleiner Spannungsbogen entsteht dank des klassischen Whodunit-Aufbaus trotzdem, was durch eine Vorausdeutung am Anfang des Films verstärkt wird: Im Prolog sehen wir Batic und Evelin Buck, als deren Affäre schon in vollem Gange ist und sie im Hotelzimmer von einem Angreifer mit Schusswaffe überrascht werden. Wirklich in Sorge um die beiden sind wir aber nie. Denn der Tatort ist offensichtlich als seichte Unterhaltung mit ordentlich Lokalkolorit gedacht, die Wiesn-Gästen eine schöne Einstimmung aufs Feiern bietet. So heißt es am Ende auch standesgemäß: „O’zapft is!“

Wirklich überzeugend ist A gmahde Wiesn aber in der eingespielten Dynamik der drei Ermittler aus der bayrischen Landeshauptstadt, die uns mit viel Wortwitz und mäßigen Italienischkenntnissen amüsieren. Wer schon im Tatort mehr vom Oktoberfest sehen will und mehr Dramatik im Krimi bevorzugt, dem sei aber die Münchner Tatort-Folge Die letzte Wiesn von 2015 ans Herz gelegt.

Bewertung: 5/10


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