Folge 709
26. Oktober 2008
Sender: NDR
Regie: Richard Huber
Drehbuch: Christoph Silber, Thorsten Wettcke
So war der Tatort:
Revolutionär.
Denn der federführende NDR präsentiert dem verdutzten Tatort-Stammpublikum 2008 einen Ermittler, der der Gesamtreihe im übertragenen Sinne gleich in mehrerer Hinsicht zuerst den ausgestreckten Mittelfinger und dann die Rücklichter zeigt: Cenk Batu, verkörpert vom leinwanderprobten Mehmet Kurtulus (Wem Ehre gebührt), ist nicht nur der erste Undercover-Mann in der Geschichte der Reihe, sondern zugleich der erste Ermittler mit türkischem Migrationshintergrund.
Und damit nicht genug: Der NDR pfeift auf das für den Tatort existenzielle Whodunit-Prinzip, schickt den charismatischen Batu, der von seinem Vorgesetzten Kohnau (Martin Jordan) nomadenhaft in komplett eingerichteten Mietwohnungen einquartiert wird, bei seinem ersten Einsatz ohne Auftaktmord ins Rennen und orientiert sich eher am Spionagefilm als an den üblichen (und mittlerweile recht eingefahrenen) Sonntagabend-Prinzipien.
Das wurde zu Recht belohnt: Auf der Sonnenseite wurde 2009 nicht nur für die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester Fernsehfilm“ nominiert, sondern auch mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Kameramann Martin Langer erhielt den Deutschen Fernsehpreis.
Von den Kritikern gefeiert, hat Cenk Batu dennoch von Anfang an ein Problem – er fällt bei den Zuschauern durch und stürzt die ARD am Sonntagabend regelmäßig ins Quotentief. An der Qualität seines Debüt-Tatorts liegt das freilich nicht: Regisseur Richard Huber (Vergissmeinnicht) arrangiert Auf der Sonnenseite clever und vor allem auf der Zielgeraden hochspannend.
Batus erster Einsatz ist kultverdächtig: Allein die regelmäßigen Treffen mit Kohnau, der wahlweise in der Barmbeker U-Bahn, der Umkleidekabine eines Schwimmbads oder zwischen Hafencontainern von seinem Undercover-Schützling auf den neuesten Stand gebracht wird, mutieren in Rekordzeit zum Running Gag.
Wie sehr die beiden Kollegen, die zwischendurch auch noch fleißig mit Vorurteilen aufräumen, voneinander abhängig sind, offenbart sich spätestens beim geschickt angelegten Showdown: Kohnau ist in seinem Überwachungswagen zwar über alles informiert, aber machtlos zum Zuschauen verurteilt. Und wird wie das Fernsehpublikum Zeuge dessen, dass der Tatort auch 2008 noch zu überraschen vermag.
Bewertung: 10/10
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