Folge: 707 | 12. Oktober 2008 | Sender: NDR | Regie: Lars Jessen
Bild: NDR/Marion von der Mehden |
So war der Tatort:
Jung-gesellig.
Der Auftakt dieses Krimis aus dem hohen Norden ist nämlich Programm, schmettert uns doch nach dem obligatorischen Tatort-Intro direkt Dean Martins „You’re nobody till somebody loves you“ entgegen. Passend dazu sehen wir ein sich küssendes Paar vor strahlend blauem Himmel, einen Luftballon in Herzform, unbekümmert fröhliche Menschen in Straßencafés – und fragen uns: Ist das wirklich ein Tatort aus Kiel?
Es ist tatsächlich einer. Und doch bieten Regisseur Lars Jessen (Die chinesische Prinzessin) und Drehbuchautor Thomas Schwank, die beide ihr Debüt in der Krimireihe geben, diesmal ohne Frage ein ziemliches Kontrastprogramm. Ruft man sich frühere Beiträge mit dem kauzigen und oft wortkargen Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) in Erinnerung – etwa den Vorgänger und Meilenstein Borowski und das Mädchen im Moor, der beispielhaft für die oft düster und makaber arrangierten Krimis von der Förde steht – ist die seicht inszenierte und beschwingt-heiter daherkommende erste Filmhälfte von Borowski und die einsamen Herzen gewöhnungsbedürftig.
Dabei geht in Kiel ein/e Serientäter/in um: Zwei alleinstehende Männer mittleren Alters wurden auf nahezu identische Weise mit einem Faustmesser getötet, wie Kriminaltechniker Ernst Klee (Jan Peter Heyne) schnell erkennt. Und noch eine Gemeinsamkeit lässt sich ausmachen: Beide suchten per Chiffre-Anzeige im „Kieler Boten“ eine Partnerin. Die Befragungen des Möchtegern-Frauenhelden Küster (Mathias Herrmann, Der schwarze Troll) führen allerdings ebenso wenig weiter wie ein Besuch beim jugendlichen Messerverkäufer Marcel Günter (Dennis Prinz). Und so wird der seit Jahren von seiner Frau geschiedene Junggeselle Borowski vom besorgten Kriminalrat Roland Schladitz (Thomas Kügel) kurzerhand mit einer neuen Identität ausgestattet und undercover in die Kieler Single-Szene geschickt. Nach Meinung von Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert) passt er als „Durchschnittsmann“ perfekt ins Opferprofil.
Das ist Ermittlungsarbeit – und auch Borowski selbst – mal ganz anders. Unter dem Decknamen „Peter Berger“ darf (oder muss) der etwas steife Kommissar in einem Hafencafé nicht nur seinen Charme spielen lassen, sondern auch seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht testen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut, ist aber dank Milbergs nuanciertem Spiel ungemein unterhaltsam und sorgt gerade in Verbindung mit der sachlich-analytischen und stets etwas zugeknöpften Frieda Jung für zahlreiche pointierte Wortwechsel.
BOROWSKI:Ich habe keine Lust, immer nur als Lustobjekt zu dienen.JUNG:Sie bekommen jetzt Wasser statt Kaffee. Sonst hält ihr Herz das nicht aus.
BOROWSKI:
Mein Herz muss noch mit ganz anderen Dingen fertig werden.
Die ironisch-doppeldeutigen Dialoge treffen wie gewohnt ins Schwarze und zählen ohne Frage zu den Highlights dieser Folge. Für die Figurenentwicklung sind diese Momente Gold wert, es menschelt und knistert zwischen zwischen Borowski und Jung wie selten zuvor, auch wenn sich die Psychologin die eine oder andere Spitze nicht verkneifen kann. Da hätte es die seltsam kitschigen Tagträume des Kommissars nicht gebraucht: Sie lassen den Film auf einem schmalen Grat zur Parodie wandeln.
Doch so gerne man den beiden zusieht und so vergnüglich sich das Ganze gestaltet, ein Wermutstropfen bleibt: Der Kriminalfall gerät aus dem Fokus und kommt erst nach einer knappen Stunde in Bewegung. Unter den weiblichen Singles erregt besonders die selbstbewusste und mit allen Wassern gewaschene Gundula Beck (Gabriela Maria Schmeide, Die Wiederkehr) Borowskis Interesse. Sie kommt im Vergleich zu ihrer schüchternen Freundin Anne Schilling (Astrid Meyerfeldt, Krumme Hunde) bei den Männern deutlich besser an. Das ist besonders ihrem Ex-Mann Jan Petersen (Wolfram Koch, ab 2015 als Hauptkommissar Paul Brix im Frankfurter Tatort im Einsatz) ein Dorn im Auge.
Spannung will sich erst in der zweiten Filmhälfte einstellen, wenn sich der 707. Tatort in gewohnte Fahrwasser begibt und Borowski wieder in seiner eigentlichen Berufung agieren darf. Die Täterfrage stellt geübte Tatort-Fans zu diesem Zeitpunkt allerdings vor kein allzu großes Rätsel mehr und auch der finale Showdown wirkt eher ungewollt komisch als wirklich fesselnd.
So geht Borowski und die einsamen Herzen als sehenswerter, aber angesichts der eher flachen Spannungskurve und schlichten Handlung nicht ganz überzeugender Fall in die Tatort-Annalen ein. Daran ändert auch die Mitwirkung von Tatort-Stammgast Peter Jordan, der von 2008 bis 2012 im Hamburger Tatort Cenk Batus Vorgesetzten Uwe Krohnau mimte, nichts: Jordan mimt den Anzeigenleiter des Kieler Boten und hat sein Herzblatt im realen Leben schon Ende der 90er Jahre gefunden. Es ist Maren Eggert.
Bewertung: 6/10
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