Folge 729
13. April 2009
Sender: NDR
Regie: Florian Baxmeyer
Drehbuch: Johannes W. Betz, Peter Braun, Christoph Silber, Thorsten Wettcke
So war der Tatort:
Pausenlos.
Bereits der überragende Erstling Auf der Sonnenseite, mit dem der federführende NDR der Krimireihe eindrucksvoll eine neue Note gab, ließ durchblicken, dass der Hamburger Undercover-Fahnder Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) kein gewöhnlicher Tatort-Ermittler ist. Und der Sender setzt bei Batus zweiten Einsatz glatt noch einen drauf: Gleich vier Autoren schreiben für Häuserkampf am Drehbuch mit und widerlegen damit die Befürchtung, dass viele Köche den Brei verderben könnten, bereits nach einer halben Stunde.
Johannes W. Betz (Salzleiche) und Peter Braun sowie Christoph Silber und Thorsten Wettcke, die bereits das Skript zu Auf der Sonnenseite beisteuerten, konzipieren ein durchdachtes und gleichzeitig überragendes Drehbuch, das erneut auf Tatort-Prinzipien wie die obligatorische Auftaktleiche pfeift, den Zuschauer im Zehn-Minuten-Takt überrascht und Publikum und Ermittler gleichermaßen kaum Zeit zum Luft holen lässt.
Nach einer halbstündigen Einleitung, in der Batu von seinem Vorgesetzten Uwe Kohnau (Peter Jordan) verdeckt in einer Hamburger SEK-Einheit eingeschleust wird und dort dem Ex-Soldaten und Kosovo-Rückkehrer Lars Jansen (Matthias Koeberlin, Quartett in Leipzig) auf den Zahn fühlt, kommt es im Empire-Hotel über den Dächern der Hansestadt bereits zum ersten Showdown. Und während eine solche blutig endende Geiselnahme in vielen anderen Tatorten spannungstechnisch schon den Höhepunkt bilden würde, bildet diese in Häuserkampf nur den Auftakt zu einer atemberaubenden Schnitzeljagd durch die Hamburger Stadtbezirke, bei der Batu die Videobotschaften des traumatisierten Zoltan Didic (Stipe Erceg) finden muss und beim schweißtreibenden Kampf gegen die Uhr pausenlos von einem Ort zum nächsten gejagt wird.
Zwar ist der auffallend amerikanisch angehauchte Hamburger Tatort noch lange keine Hollywood-Produktion, doch muss er sich in Sachen Spannung nicht vor einer solchen verstecken: Schnell werden Erinnerungen an das unterhaltsame Katz- und Maus-Spiel in Stirb Langsam 3 wach, bei dem Bruce Willis und Samuel L. Jackson durch den Big Apple gehetzt werden und Terrorist Simon ihnen immer wieder knackige Aufgaben zu lösen gibt. In Häuserkampf ist das ähnlich: Didic verfolgt einen bis ins letzte Detail durchdachten Plan, der Batu schon mal in eine bis an die Zähne bewaffnete Gruppe Kosovo-Albaner katapultiert und den meist am Handy mitfiebernden, diesmal aber auch selbst mithechelnden Kohnau schon mal zu Political Incorrectness veranlasst („Scheiß Türke!“).
Regisseur Florian Baxmeyer (Schiffe versenken) umschifft jeden Anflug von Längen, sieht sich bei seiner Inszenierung des atemberaubenden Puzzlespiels aber dank des genialen Skripts und der messerscharfen Dialoge auch in einer komfortablen Ausgangsposition. Hier ist vor allem der Vergleich zu seinem desaströsen Bremer Tatort Hochzeitsnacht interessant: Während Baxmeyers starke Regie in der 729. Ausgabe der Krimireihe das Tüpfelchen auf dem I ist, steht der Filmemacher in der gut drei Jahre später erstmalig ausgestrahlten Geiselnahme-Folge angesichts des hanebüchenen Drehbuchs auf verlorenem Posten.
Der hochspannende, vor cleveren Wendungen nur so strotzende Häuserkampf hingegen ist ein packender Meilenstein der Tatort-Geschichte und verdient sich damit wie schon der Batu-Erstling Auf der Sonnenseite eindrucksvoll die Höchstwertung.
Bewertung: 10/10
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