Folge: 760 | 28. März 2010 | Sender: NDR | Regie: Richard Huber
Bild: NDR/Georges Pauly |
So war der Tatort:
Überraschend durchschnittlich.
Vergissmeinnicht bleibt nämlich deutlich hinter den hochspannenden Hamburger Hochkarätern und Vorgängern Auf der Sonnenseite und Häuserkampf zurück – was auch daran liegt, dass Undercover-Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) sich bei seinem dritten Einsatz zum ersten Mal richtig verliebt und die Spannung gelegentlich hinten anstehen muss.
Die Auserwählte ist Mia Andergast (Désirée Nosbusch in ihrem bis heute einzigen Tatort-Auftritt), angebliche Tochter des Firmenchefs Holger Lichtenhagen (Hansjürgen Hürrig), der den als Pressereferent Sinan Afra getarnten Batu schon nach sechs Wochen Arbeit im Unternehmen zu seinem persönlichen Referenten befördern möchte.
Bevor er dies tun kann, findet man Lichtenhagens Leiche – was doppelt schade ist, weil ab diesem Zeitpunkt nicht nur lange die Luft aus der Geschichte raus ist, sondern zugleich die interessanteste Figur des Krimis früh das Zeitliche segnet.
Die wenigen Sätze, die der Firmenboss mit Batu und den anderen Mitarbeitern des aufstrebenden Triebwerkunternehmens APAT wechselt, reichen aus, um ihn zwischen Schreibtisch und Meetingraum als charismatisches Alphatier zu skizzieren, das bei einem Vier-Augen-Gespräch knackige Einstein-Zitate aus dem Ärmel schüttelt
LICHTENHAGEN:Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.
Seine vermeintliche Tochter, die Batu am Grab des Toten anspricht, bleibt da eher blass: Minutenlang reden, witzeln, und philosophieren die beiden Turteltauben, schütten sich gegenseitig ihr Herz aus und landen schließlich im Bett – doch wirklich knistern tut es zwischen Kurtulus und Nosbusch in diesem Tatort nie. Ob es daran liegt, dass die beiden während der Dreharbeiten bereits miteinander verlobt waren (und heute längst wieder getrennt sind)? Wohl kaum.
Dann schon eher daran, dass der Zuschauer von Beginn an ahnt, dass Mia Andergast nicht mit offenen Karten spielt und die Beziehung der beiden auf denkbar tönernen Füßen steht: Wenn eine Nebenrolle im Tatort derartig prominent besetzt ist, dann ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass ihr im Hinblick auf den Kriminalfall früher oder später eine Schlüsselrolle zukommt.
Während Nosbusch von Drehbuchautor Christoph Darnstädt (Willkommen in Hamburg) relativ wenig Raum zur Entfaltung eingeräumt bekommt (man vergleiche ihre Rolle als Geliebte des Ermittlers mit der von Jeanette Hain in Im freien Fall oder der von Hannes Jaenicke in Atemnot), leidet der kompliziert angelegte Kriminalfall lange an der überstürzten Einleitung.
Batu ist bereits mitten im Geschehen, als der Tatort beginnt, sitzt wie selbstverständlich in Meetings und wird kritisch von den Kollegen beäugt – warum er aber überhaupt von seinem Chef Uwe Kohnau (Peter Jordan) als Pressereferent in der Firma eingeschleust wurde, klärt sich erst im Laufe der Geschichte. Diese Erzählweise ist selbst für Batu-Verhältnisse gewöhnungsbedürftig.
Anders als in den Meisterwerken Auf der Sonnenseite und Häuserkampf handelt es sich bei Vergissmeinnicht auch um einen klassischen Whodunit – was nicht weiter schlimm wäre, doch macht es den 760. Tatort deutlich vorhersehbarer als die innovativen Vorgänger, in denen die Drehbuchautoren phasenweise einen Haken nach dem nächsten schlugen.
So ist auch Regisseur Richard Huber (Stiller Tod), der bereits bei Auf der Sonnenseite für den Hamburger Tatort am Ruder saß, letztlich Gefangener einer mäßig fesselnden Industriespionage-Story, die erst mit der Sequenz in der Umkleidekabine eines Wellnessbereichs an Fahrt aufnimmt.
Hier ist Batu als verdeckter Ermittler voll in seinem Element und treibt das köstliche Katz-und-Maus-Spiel mit seinem neuen Vorgesetzten Thomas Hanau (Patrick von Blume, Happy Birthday, Sarah!) auf die Spitze – es sind die stärksten Szenen im dritten Batu-Fall, der aber zugleich der schwächste seiner sechs Einsätze ist.
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