Folge: 769 | 29. August 2010 | Sender: ORF | Regie: Michael Riebl
Bild: rbb/Hubert Mican |
So war der Tatort:
Halbherzig.
Und wer nicht mit ganzem Herzen bei der Sache ist, muss zwangsläufig scheitern. So einfach kann das manchmal sein – zumindest wenn man der simplen Philosophie der Glaubensgemeinschaft „Epitarsis“ Glauben schenkt.
Epitarsis ist in Glaube, Liebe, Tod so etwas wie die Tatort-Variante von Scientology: Eine weltweit operierende Organisation unter dem Deckmantel des gemeinsamen Glaubens, die leichtgläubigen Beitrittskandidaten verspricht, bei der Überwindung der eigenen Grenzen zu helfen, damit das eigene Potenzial voll ausgeschöpft werden kann. Doch dann: ein Mord an einer Austrittskandidatin.
Klar, dass der Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) den Täter zuerst im gläsernen Hauptquartier der gefährlichen Sekte sucht, schließlich steht das Wohl der Gemeinschaft über allem – und da passt eine Aussteigerin natürlich gar nicht ins Konzept.
Leider kratzt das Drehbuch aus der Feder von Lukas Sturm (Kein Entkommen) ebenso an der Oberfläche wie das beeindruckende Epitarsis-Hochhaus an den Wolken: Glaube, Liebe, Tod liefert kaum neue Erkenntnisse über das Innenleben einer Sekte oder die Tricks und Methoden bei der Anwerbung neuer Mitglieder.
Die Gefahren, die der Beitritt in eine scientologyähnliche Glaubensgemeinschaft mit sich bringt, werden gar verharmlost: Die finanzielle Abhängigkeit wird in einem zehnsekündigen Dialog beiläufig abgehandelt, die psychische Manipulation und Überwachung der Neuankömmlinge nur grob angerissen. Ein paar Charaktertests – das war’s? Wohl kaum.
Wirklich interessant wird es eigentlich erst, als nicht nur Eisners Tochter Claudia (Sarah Tkotsch, Die schlafende Schöne), sondern auch Verkehrspolizei-Kollege Karl Bindmayer (Johannes Silberschneider, Kein Entkommen), der sich undercover bei der Glaubensgemeinschaft einschleust, in die Fänge von Epitarsis zu geraten droht.
Den Innovationspreis gewinnt Sturms Skript damit nicht, doch die persönliche Befangenheit bringt den ansonsten recht lustlos agierenden Kommissar zumindest ein wenig auf Trab. Beispielhaft für Eisners mangelndes Engagement steht eine Sequenz im Schlussdrittel des von Michael Riebl inszenierten Tatorts, in der der Wiener Kommissar eine zweite Leiche in einem Appartement vorfindet: Wird die Dienstwaffe gezückt und überprüft, ob sich der Täter noch in der Wohnung befindet?
Keineswegs. Ein Griff zum Handy, und schon ist die Spurensicherung am Tatort. Das ist weder der Spannung, noch dem Realismus förderlich – und so bleibt Nebendarstellerin Victoria Trauttmansdorff (Herrenabend) als eiskalte Sektenführerin Katharina Leupold einer der wenigen Lichtblicke im 769. Tatort.
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