Folge: 785 | 26. Dezember 2010 | Sender: NDR | Regie: Florian Froschmayer
Bild: NDR/Marion von der Mehden |
So war der Tatort:
Friedafrei.
Nach vierzehn gemeinsamen Fällen, in denen sich Klaus Borowski (Axel Milberg) und sein Vorgesetzter Roland Schladitz (Thomas Kügel) stets auf die psychologischen Einschätzungen von Dr. Frieda Jung (Maren Eggert) verlassen konnten, muss der Kieler Hauptkommissar in Borowski und der vierte Mann zum zweiten Mal ganz allein auf Mördersuche gehen.
Und macht keinen Hehl daraus, dass ihm die Arbeit ohne seine langjährige Kollegin, mit der er oft unterschwellig flirtete und in Borowski und die Sterne erstmalig eine gemeinsame Nacht verbrachte, schwer fällt. Gedankenverloren registriert der kauzige Ermittler, wie der Handwerker im Präsidium ihr Namensschild von der Bürotür entfernt und die Maler das ihre einstige Arbeitsstätte mit einem neuen Anstrich versehen.
Doch trotz ihrer körperlichen Abstinenz ist der Einfluss der Psychologin so hoch wie in kaum einem zweiten Kieler Tatort: Drehbuchautor Daniel Nocke, der ein Jahr später das Skript zum morbiden und vieldiskutierten Wiesbadener Folge Das Dorf beisteuert, spannt einen cleveren Bogen in die Vergangenheit und lässt Jungs Dienste so nicht nur im Hinblick auf Borowskis Laune, sondern vor allem bei der Klärung der Täterfrage entscheidend nachwirken.
Auch sonst ist sein Skript fast frei von Schwächen. Kein Wunder: Bei Borowski und der vierte Mann handelt es sich schließlich um den ersten Tatort nach einer Vorlage des skandinavischen Genre-Experten Henning Mankell. Mit Borowski und der coole Hund folgt schon bald der nächste.
Passend zur Erstausstrahlung am 2. Weihnachtsfeiertag 2010 und den oft verschneiten Mankell-Settings spielt auch der 785. Tatort im tiefsten Winter und zu großen Teilen auf einem pompösen Landsitz und dessen angrenzendem Waldstück, in dem eine dekadente Wochenendgesellschaft zur Unterhaltung Jagd auf ausgesetzte Bären und Tiger macht.
Von Kiel und der Förde ist außer dem Polizeipräsidium wenig zu sehen: Vieles wirkt skandinavisch und darf trotz der exotischen Raubtiere auch als kleiner Nachklang zur kurzweiligen Borowski-Exkursion nach Finnland (Tango für Borowski) gewertet werden.
Dass sich der Kreis der Verdächtigen trotz der geschlossenen Gesellschaft im Landhaus nicht nur auf die verwöhnte Jagdclique beschränkt, erschwert das Miträtseln enorm, zumal die Leichen bis zum letzten Filmdrittel fehlen: Einleitend findet der beinamputierte Waldhüter Timo Pross (Sven Pippig, Hauch des Todes) einen tiefgefrorenen Fuß im Unterholz, später taucht eine abgetrennte Hand in einer Gerberwerkstatt auf. Auch bei diesen auffällig blutigen Szenen, die in Borowski und der coole Hund später noch auf die Spitze getrieben werden, ist der Mankellsche Einfluss auf den Tatort nicht zu übersehen.
Das tut dem Krimi, bei dem die von Regisseurin Claudia Garde (Dinge, die noch zu tun sind) hochspannend inszenierten Jagdszenen im verschneiten Wald gekonnt mit einer eher biederen Nebenhandlung um dubiose Geldanlagen in Einklang gebracht werden, richtig gut – und macht Borowski und der vierte Mann zu einem weiteren bärenstarken Tatort aus der Fördestadt.
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