Folge: 803 | 5. Juni 2011 | Sender: BR | Regie: Christian Görlitz
Bild: BR/Barbara Bauriedl |
So war der Tatort:
Angestrengt.
Und anstrengend zugleich: für den Zuschauer, die Darsteller, und vor allem für die beiden Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die diesmal mit einer Krankheit konfrontiert werden, die im Alter jeden treffen kann und zum Alltag vieler Familien gehört: Demenz.
Demenz?
Was ist das eigentlich genau, fragt sich Leitmayr und erweitert im Internet sogleich sein Basiswissen. Und wie man damit umgeht, wenn das Geld für Pflegepersonal nicht reicht, fragt Talkmasterin Anne Will unter dem Motto „Illegale Pflege“ direkt im Anschluss an die Erstausstrahlung von Gestern war kein Tag im Juni 2011.
Der 803. Tatort wirft Fragen auf, statt Antworten zu geben, und muss einmal mehr für die Aufarbeitung einer gesellschaftlichen Problematik herhalten, die spürbar auf Kosten der eigentlichen Kriminalhandlung geht.
Im Grunde dreht sich alles um das Schicksal des dementen Glasermeisters Max Lasinger (überragend: Günther Maria Halmer, Bienzle und das Doppelspiel), der in seiner Werkstatt die Leiche des eigenen Sohnes entdeckt und zum Zeitpunkt der Tat als einer von mehreren Verdächtigen vor Ort war, sich aber nicht genau an das Geschehene erinnern kann. Oder erinnern will?
Bis zur letzten Sequenz des Krimis können sich Batic und Leitmayr – und mit ihnen der Zuschauer – nie sicher sein, ob der Pleite gegangene Handwerker, der sich an kalte Winter in den 80er Jahren ebenso gut erinnern kann wie an den Zweiten Weltkrieg, die Lücken im Kurzzeitgedächtnis nur vorspielt.
Erfreulicherweise wird zumindest der anfangs eindeutige Verdachtsmoment gegen die illegale Pflegekraft Dana (Vesela Kazakova, bereits eine Woche zuvor in Ausgelöscht zu sehen) im Verlaufe der neunzig Tatort-Minuten zugunsten eines klassischen Whodunits aufgeweicht, so dass fleißig mitgerätselt werden darf.
Regisseur Christian Görlitz steht beim Kampf um Spannung dennoch auf verlorenem Posten: Zu sehr ist dem Autorengespann um Pim Richter (Kunstfehler) und Daniela Mohr (Atlantis) daran gelegen, dem Publikum den Alltag einer Hausfrau mit einem pflegebedürftigen Demenzkranken in aller Ausführlichkeit näherzubringen. Dazu gehören neben kleinen Momenten der Hoffnung vor allem die täglichen Rückschläge bei einstigen Selbstverständlichkeiten wie Toilettengängen oder dem Anziehen eines Hemdes.
Das gelingt zwar authentisch und bietet Günther Maria Halmer und Johanna Gastdorf (Schweinegeld) in der Rolle der zunehmend überforderten Schwiegertochter Karin Lasinger reichlich Gelegenheit, ihr schauspielerisches Können in die Waagschale zu werfen, lässt Gestern war kein Tag aber spätestens im Mittelteil zu einem stellenweise extrem anstrengenden Sozialdrama verkommen, bei dem die Täterfrage zunehmend in den Hintergrund gerät.
Spätestens, wenn Karin Lasinger den längst überfälligen Schlussstrich zieht und mit ihrem Schwiegervater ein Pflegeheim besichtigt, ist die Frage, ob der demente Glasermeister den eigenen Sohn auf dem Gewissen hat, eigentlich zweitrangig – sein Schicksal ist ohnehin besiegelt.
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