Folge: 814 | 16. Oktober 2011 | Sender: SWR | Regie: Thomas Bohn
Bild: SWR/Stephanie Schweigert |
So war der Tatort:
Bildend.
Wer ohne Erlaubnis am Bodensee angelt oder zu schnell Auto fährt, wird vielleicht irgendwann von den realen Kollegen der Konstanzer Tatort-Kommissare Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) direkt aufs Präsidium gebracht – ist bei Kenntnis des Films aber selbst schuld, denn die Kosten einer Angelerlaubnis und die Geschwindigkeitsbegrenzung erwähnen die beiden Ermittler in Das schwarze Haus schließlich mehr als einmal.
So viel Bildungsauftrag dürfte nicht nur den einen oder anderen Zuschauer ermüden: Auch Blum, die bei ihrem ersten Auftritt gedankenverloren in einem kleinen Boot auf dem Bodensee dümpelt, geht zwischenzeitlich die Puste aus („Ich bin so gestresst, dass mir nicht mal mehr das Angeln Spaß macht.“).
Anders als das Publikum, das die richtige Auflösung spätestens nach einer Stunde kennen dürfte, haben es die Kommissare in ihrem 17. gemeinsamen Fall aber auch nicht leicht: Ein Serientäter tötet in kurzen Abständen und holt sich die Ideen für seine perfiden Morde in den Büchern des Krimi-Autors Ruben Rath (Hannes Jaenicke, Atemnot): Sein erstes Opfer, der schmierige Künstler Martin Neumann (Manfred Böll), stirbt durch einen aufwändig arrangierten Stromschlag, ein weiteres stürzt durch einen manipulierten Hochsitz in eine Egge.
Mögliche Täter gibt es viele – Rath selbst, seinen autistischen Sohn Ferry (Jonathan Müller) und dessen Freundin Susanne Gauss (Annika Blendl, Wer Wind erntet, sät Sturm), die sich möglicherweise für einen sexuellen Übergriff an Neumann rächen und eine nervtötende Verehrerin loswerden wollte.
Auch die Vorstandsmitglieder des Kulturzentrums „Kulturfabrik“, zu denen Neumann zählte, hegen Geheimnisse – und die Tatsache, dass sich alle untereinander kennen, übereinander tratschen und jeder jedem irgendetwas vorwirft oder schuldet, liefert Tatmotive im Überfluss. Wenngleich Perlmann eine große Anzahl Verdächtiger bei der ersten Tatort-Besichtigung augenzwinkernd ausschließt.
BLUM:
Und wer kann sowas basteln? Muss das ein gelernter Elektriker sein?
KRIMINALTECHNIKER:Nein, kann eigentlich jeder, der in Physik ein bisschen aufgepasst hat.
PERLMANN:Also nur ganz wenige.
Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bohn (Kalter Engel) legt allerdings großen Wert darauf, den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag zu erfüllen und erklärt den Tathergang auch physikalisch weniger bewanderten Zuschauern.
Neben vielen mal mehr, mal weniger interessanten Fakten und Erklärungen findet er in seiner Geschichte auch Zeit für ein philosophisches Intermezzo, bei dem Blum und Perlmann darüber fachsimpeln, wie sich das Wesen eines Verdächtigen in der Wahl seines Haustiers widerspiegelt. Ähnlich spannende, wenn auch wissenschaftlich eher dünne Analysen durften die Konstanzer Ermittler bereits im enttäuschenden Vorgänger Im Netz der Lügen wagen.
Auch die Besetzung kommt einem bekannt vor: Constanze Weinig, die in Das schwarze Haus die arrogante Galeristin Simone von Sallari mimt, war eine Woche zuvor im Stuttgarter Tatort Das erste Opfer zu sehen. Hinzu kommt die ärgerliche Dopplung, dass in beiden Folgen Serientäter mit kreativen Mordmethoden am Werk sind. Bohn punket jedoch mit anderen Ideen: Das Mordmotiv ist zwar etwas überkonstruiert, aber angenehm schräg, und Klara Blum in Gummistiefeln bietet einen ebenso sympathischen wie amüsanten Anblick.
Das heimliche Highlight im 814. Tatort sind aber die frechen Seitenhiebe – zum Beispiel auf Sonntagskrimis im Allgemeinen („Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag? Außer durch die Gegend fahren und den gleichen Leuten immer die gleichen blöden Fragen stellen?“), ewig negativ eingestellte Filmkritiker („Wenn einen die Blödmänner vom Feuilleton öffentlich verreißen, dann ist man wer.“) oder klugscheißende Krimi-Enthusiasten („Ich kenne mich aus mit den Rechten von Verdächtigen. Ich bin Kriminalschriftsteller.“).
Wer nach der Sichtung des Tatorts und dem Lesen dieser Rezension Lust aufs Angeln am Bodensee bekommen hat, sei gewarnt: Der Spaß ist in der Zwischenzeit teurer geworden, als Blum und Perlmann behaupten. 20 Euro zahlt man für eine Monatskarte „Angeln am Ufer“, 40 Euro fürs Angeln am Ufer und im Boot (Stand: August 2016).
Damit hätte Wie war der Tatort? seinen Bildungsauftrag auch erfüllt. Gern geschehen.
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