Folge: 815 | 23. Oktober 2011 | Sender: RBB | Regie: Heiko Schier
Bild: rbb/Julia von Vietinghoff |
So war der Tatort:
Weit weniger grün, als man zunächst vermuten sollte.
Mauerpark setzt dem gleichnamigen Fleckchen Grün zwischen den Berliner Bezirken Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg zwar ein authentisches filmisches Denkmal, wurde aber im tiefsten Winter gedreht und verbreitet mit seinen kargen, grauen Bildern die pure Tristesse.
Obwohl der Tatort in einem Park spielt, in dem es im Sommer vor grillfreudigen Hauptstädtern, Künstlern und Spaziergängern nur so wimmelt, bilden farblose Schrottcontainer, verlassene Baustellen,
einsame Familiengräber und kalte Villen die Kulissen für den 25. Einsatz der Hauptstadt-Kommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic).
Atmosphärisch ist die allgegenwärtige Betonästhetik, bei der die Graffitis auf den steinernen Mauern fast die einzigen Farbkleckse sind, zweifellos das Tüpfelchen auf dem I: Nach dem Fund der Leiche von Rechtsanwalt Simon Herzog (Christoph Gareisen, Zielscheibe) geraten Ritter und Stark schon bald in ein bedrückendes Familiendrama, in dessen Epizentrum der offenbar geistig zurückgebliebene, merkwürdige Halbsätze stammelnde Streuner Lukas Vogt (überragend: Robert Gwisdek, Heimatfront) den Ermittlern Rätsel aufgibt.
Gwisdek, der vor allem bei der cleveren Schlusspointe des Krimis zu Höchstform aufläuft, ist der unumstrittene Star in einem düsteren Tatort, in dem die Kommissare oft nur die zweite Geige spielen und die Auflösung der Täterfrage am Ende fast zur Nebensache wird.
Das verschachtelte Skript von Regisseur und Drehbuchautor Heiko Schier verlangt dem Zuschauer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit ab und gestattet keine zwischenzeitlichen Toilettengänge: Wer fünf Minuten nicht aufpasst, wird Probleme haben, der komplexen Handlung und den permanenten Zeitsprüngen zwischen den 80er Jahren und dem Hier und Jetzt zu folgen.
Doch während die gekonnte Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart zum Beispiel die Münchener Folge Der oide Depp zum Tatort-Meilenstein machte, wäre in Mauerpark weniger mehr gewesen: Mord, Kindesentführung, Berliner Zeitgeschichte, Erpressung und sexuelle Abhängigkeit – ein bisschen viel für neunzig Minuten Sonntagskrimi, in dem auch die Nebenfiguren noch mit Tiefgang versehen werden müssen.
Letzteres gelingt – mit Ausnahme des Kindsmörders Kurt Bach, der sich in seiner eigenen Wohnung halbherzig inszeniertem Terror wütender Nachbarn ausgesetzt sieht und nur oberflächlich skizziert wird – passabel, geht aber spürbar auf Kosten der Spannungskurve, die erst in der letzten Viertelstunde nach oben ausschlägt. Bis dahin reiht sich Verdächtigenbefragung an Verdächtigenbefragung. Immerhin: Der Twist kommt spät, aber er kommt.
So bleibt Mauerpark als emotionaler, stark besetzter Tatort mit netter Schlusspointe in Erinnerung, der mit toller Bildsprache besticht, aber von seinem überladenen Drehbuch über weite Strecken ausgebremst wird.
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