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Das Dorf

Folge: 819 | 4. Dezember 2011 | Sender: HR | Regie: Justus von Dohnányi

Bild: HR/Carl-Friedrich Koschnick

So war der Tatort:

Farblos – aber nur in optischer Hinsicht, dank der tristen Farbfilter nämlich.

Ansonsten zählt der zweite Fall des Wiesbadener LKA-Kommissars Felix Murot (Ulrich Tukur) bis heute zu den außergewöhnlichsten, schillerndsten und zugleich umstrittensten Tatort-Folgen aller Zeiten – und das gleich aus mehreren Gründen.

Da ist zunächst das außergewöhnliche Intro (nach dem obligatorischen Tatort-Vorspann, versteht sich): Eine gut 40-sekündige Schwarz-Weiß-Sequenz katapultiert den Betrachter schlagartig zurück in die 60er Jahre. Kein Geringerer als Grusel-Godfather Edgar Wallace stand hier Pate.

Auch der starke Score von Stefan Will macht Das Dorf zu einem echten Leckerbissen für Freunde des ausgefallenen Kriminalfilms, vor allem aber für Rialto Film-Nostalgiker.

Der fünfmalige Tatort-Darsteller und Regie-Debütant Justus von Dohnányi (Eine bessere Welt) nimmt sein Publikum mit auf eine groteske Gratwanderung zwischen Wahn, Witz und Wirklichkeit und serviert dem halluzinierenden Tumorkranken Murot schon mal das eigene Gehirn auf dem Silbertablett.

Dohnányi inszeniert nicht bloß einen Krimi, sondern ein Kunstwerk, und springt dabei mühelos von einem Filmgenre zum nächsten. Da nimmt das verstörte ARD-Stammpublikum den köstlichen Auftritt der Kessler-Zwillinge schon fast beiläufig zur Kenntnis.

Aber funktioniert Das Dorf als auch spannender Sonntagskrimi?

Und ob. Dohnányi und Drehbuchautor Daniel Nocke (Borowski und der vierte Mann) begehen nämlich nicht den Fehler, sich nur auf ihre brillante Verpackung zu verlassen.

Sie versammeln für den zweiten Murot-Fall gleich ein halbes Dutzend prominenter TV-Gesichter vor der Kamera – unter ihnen der neue Saarbrücken-Ermittler und Deutsche-Filmpreis-Gewinner Devid Striesow (Eine Handvoll Paradies) als Dorfbulle, Antoine Monot Jr. (Puppenspieler) als miesepetriger Einheimischer, Krimi-Stammgast Thomas Thieme (Willkommen in Köln) als stilvoller Bonvivant und die spätere Magdeburger Polizeiruf 110-Kommissarin Claudia Michelsen (Nachtgeflüster) als sadistische Medizinerin.

Ihnen allen ist der Spaß an dem ausgefallenen Fernsehfilm in jeder Sequenz anzumerken. Dass für eine solch wirre, fast surreale Noir-Geschichte, wie sie der 819. Tatort erzählt, ein paar Abstriche in Sachen Glaubwürdigkeit hingenommen werden müssen, ist da locker zu verkraften.

Die Rahmenhandlung um illegale Organspenden spielt hier schließlich ohnehin eine untergeordnete Rolle – der fantastische Cast um Hauptdarsteller Ulrich Tukur, dessen spätere Tatort-Einsätze diesem hier in Sachen Skurillität in nichts nachstehen, hingegen groß auf.

Bewertung: 9/10


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