Folge: 858 | 6. Januar 2013 | Sender: rbb | Regie: Klaus Krämer
Bild: rbb/Hardy Spitz |
So war der Tatort:
Kammerspielartig.
Gefühlte zwei Drittel von Machtlos, dem 28. gemeinsamen Einsatz der Berliner Hauptkommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic), spielen sich in einem tristen Verhörzimmer auf dem Präsidium ab, in dem die Ermittler dem eiskalten Kindesentführer Uwe Braun (Edgar Selge, Gefallene Engel) auf den Zahn fühlen und gebetsmühlenartig die immer gleichen Fragen stellen müssen: Wo ist Benjamin Steiner (Mika Nilson Seidel)? Und lebt der Junge noch?
Regisseur und Drehbuchautor Klaus Krämer, der bereits den herausragenden Berliner Tatort Hitchcock und Frau Wernicke inszenierte, weicht auch bei seiner zweiten Regiearbeit für die Krimireihe vom gängigen Tatort-Schema ab, treibt seine Regelbrüche diesmal aber auf die Spitze: keine Leiche, kein Mörder, keine Verdächtigen, keine SpuSi, keine humorvollen Zwischentöne. Nicht einmal für private Nebenkriegsschauplätze der Ermittler – im Berliner Tatort ohnehin die Ausnahme – nimmt sich Krämer Zeit.
Auch dank des Aussparens der Reaktionen von Medien und Öffentlichkeit auf den Entführungsfall ist Machtlos nah dran an dialoglastigen Kammerspiel-Klassikern wie Der Totmacher und hat mit dem überragenden, langjährigen Polizeiruf 110-Kommissar Edgar Selge in der Rolle des Entführers einen Schauspieler in seinen Reihen, der gewohnt großartig agiert, wenngleich ihm die Figur nicht ganz so viel Raum zur Entfaltung bietet wie beispielsweise die Rolle als transsexuelle Trudi Hütten im Kölner Tatort Altes Eisen.
STARK:
Wollen Sie wirklich den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen?BRAUN:Sie können sich gar nicht vorstellen, wie scheißegal mir das ist.
Dass dem 858. Tatort am Ende ein wenig die Durchschlagskraft fehlt, liegt an zweierlei: Zum einen am zu harmonischen Ausklang, bei dem der Entführer erwartungsgemäß in letzter Sekunde einlenkt, obwohl die zermürbenden Verhörtechniken und Konfrontationen mit Weggefährten und Angehörigen zuvor nicht von Erfolg gekrönt sind.
Warum Ritter und Stark die sich aufdrängende Begegnung mit der verzweifelten Mutter angesichts der zahlreichen Fehlschläge erst kurz vor Toreschluss in Erwägung ziehen, erschließt sich ohnehin nicht wirklich und dürfte in erster Linie dem emotionalen Showdown geschuldet sein, der mit einem verdursteten Kind naturgemäß eine noch viel erheblichere Wucht entfaltet hätte.
Zum zweiten muss sich Krämer die Frage gefallen lassen, ob Hartz-IV-Empfänger Braun ein weniger politisches Motiv am Ende nicht besser zu Gesicht gestanden hätte als ein müder Rundumschlag gegen die Banken und deren moralisch zweifelhafte Spekulationen auf steigende Lebensmittelpreise.
Machtlos, in dem Edgar Selge erstmalig gemeinsam mit seinem Sohn Jakob Walser vor der Kamera steht, ist dennoch ein guter, erfrischend ungewöhnlicher Krimi und nach dem katastrophalen Dinge, die noch zu tun sind ein überzeugender Befreiungsschlag für den Tatort aus der Hauptstadt. Auch wenn diese ruhige Gangart nicht jedem Zuschauer schmeckt.
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