Folge: 862 | 10. Februar 2013 | Sender: SRF | Regie: Dani Levy
Bild: ORF/ARD/Nikkol Rot |
So war der Tatort:
Fasnächtlich.
Der dritte gemeinsame Einsatz der Hauptkommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) findet nämlich mitten im Luzerner Fasnachtstrubel statt: Es ist schließlich Schmutziger Donnerstag, und dementsprechend verwandelt sich die vor feierfreudigen Menschen nur so berstende Innenstadt in ein riesiges, alkoholschwangeres Volksfest.
Folgen hat dies nicht nur für den angesehenen Politiker Franz Schäublin, der in der unübersichtlichen bunten Menge von einem als Tod verkleideten Unbekannten brutal erstochen wird, sondern auch für Ermittlerin Ritschard,
die die Nacht nach den ausufernden Feierlichkeiten mit einer Frau im Bett verbringt. Hoppla!
Figurentechnisch tut sich also endlich was im Schweizer Tatort: Nachdem Flückigers Kollegin bei ihren ersten beiden Auftritten im schwachen Skalpell und im noch schwächeren Hanglage mit Aussicht charakterlich vollkommen unskizziert blieb, erfährt das Fernsehpublikum nun erstmalig mehr über die Frau an der beruflichen Seite des diesmal auffallend schlecht gelaunten Kommissars und Hobbyseglers, der mit Fasnacht herzlich wenig am Hut hat und auf seinem Boot die Ruhe vor dem Trubel und dem Feuerwerk sucht.
Erfreulicherweise bleibt Ritschards kurze, wenn auch leidenschaftliche Liaison letztlich ebenso Randnotiz wie der vollkommen überflüssige Cameo-Auftritt des Schweizer Ex-Eurodance-Stars DJ Bobo (Pray, Everybody), der dem unvorbereiteten Publikum nicht einmal auffallen, geschweige denn in Erinnerung bleiben dürfte. Regisseur Dani Levy, für den die öffentlich-rechtliche TV-Landschaft noch Neuland ist, konzentriert sich stattdessen in erster Linie auf seinen Kriminalfall, schaltet nach einer gelungenen Auftaktsequenz im Luzerner Fasnachtschaos aber zwei Gänge zurück und kann das hohe Niveau der ersten fünfzehn Minuten nicht lang halten.
Der ermordete Schäublin, der im 862. Tatort erwartungsgemäß nicht das einzige Opfer des maskierten Messerstechers bleibt, war nämlich nicht nur Vorsitzender des Luzerner Bauausschusses, sondern zugleich aktives Mitglied in der Fasnachtszunft „Wächter am Pilatus“, in der bruderschaftsähnliche Prinzipen herrschen und in der noch nach alter, strenger Tradition gehandelt wird.
Drehbuchautorin und Tatort-Debütantin Petra Lüschow verheddert sich im extrem spannungsarmen Mittelteil des Krimis, der auch mit einigen befremdlich wirkenden Kontroversen auf dem Polizeipräsidium zu kämpfen hat, zunehmend in der Ausarbeitung dieser Thematik, findet aber zumindest pünktlich zum großen Prunksitzungsfinale wieder in die Spur.
Das Katz- und Maus-Spiel des unbekannten Killers, dessen Identität leider eine ganze Ecke zu früh preisgegeben wird, gerät nie aus dem Blickfeld, so dass sich dank der schaurig-bunten Kostümierungen und einer verblüffenden Verwandlung zur blondgelockten Polizeibeamtin zumindest eine Handvoll kleinerer Gänsehautmomente einstellen.
Nach dem indiskutablen Totalausfall Wunschdenken und den kaum stärkeren Nachfolgern
Skalpell und Hanglage mit Aussicht, die auch beim Großteil der Fernsehzuschauer sang- und klanglos durchfielen, ist Luzern mit Schmutziger Donnerstag zumindest halbwegs im Tatort angekommen – wenngleich noch immer viel Luft nach oben bleibt und die Synchronisation auch weiterhin wirklich miserabel ausfällt.
Bewertung: 4/10
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