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Baum der Erlösung

Folge: 717 | 4. Januar 2009 | Sender: ORF | Regie: Harald Sicheritz

Bild: rbb/ORF/Cult-Film/Bernhard Berge

So war der Tatort:

Zu lang – und zwar rund zehn Minuten.

Wer Baum der Erlösung, der durchaus als Hommage an Annette von Droste-Hülshoffs Novelle Die Judenbuche interpretiert werden kann, ein paar Minuten vor dem Abspann ausschaltet, hat einen richtig guten, mutigen Tatort gesehen, in dem sich die Filmemacher differenziert mit dem Thema Integration auseinandersetzen und 80 Minuten lang Klartext sprechen, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen.

Doch auf der Zielgeraden, auf der der Mörder bereits gefasst und der Fall gelöst ist, verlässt Drehbuchautor Felix Mitterer (Lohn der Arbeit) plötzlich der Mut: Viel zu versöhnlich, extrem kitschig und unnötig seicht lässt er den zwanzigsten Einsatz des österreichischen Sonderermittlers Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) im Tiroler Dörfchen Telfs ausklingen.

Ein streng gläubiger türkischer Familienvater gestattet seiner Tochter nach langer Ablehnung endlich einen nicht-muslimischen Freund, Eisner seiner Tochter Claudia (Sarah Tkotsch) einen türkischen, die türkischen und österreichischen Dorfpolizisten necken sich augenzwinkernd als „Knoblauchfresser“ und „Schluchtenscheißer“ und ein geläuterter Rowdy gelobt einsichtig Besserung: Diesen abschließenden Weichspülgang hat der erste Tatort des Jahres 2009, der so nie die Klasse des thematisch ähnlich gelagerten Batu-Meilensteins Auf der Sonnenseite erreicht, eigentlich gar nicht nötig.

Dazu ist die von falschen Berührungsängsten und Vorurteilen geprägte Geschichte um den schwelenden Konflikt zwischen den von Misstrauen und Fremdenfeindlichkeit zerfressenen Urtirolern, die
sich wahnsinnig über den Bau eines kaum zehn Meter hohen Minaretts in
ihrer Gemeinde aufregen, und ihren zahlreichen türkischen Nachbarn zu authentisch und erfreulich arm an billigen Klischees.

Harald Sicheritz (Ausgelöscht), der zum ersten, aber nicht zum letzten Mal für den Wiener Tatort auf dem Regiestuhl Platz nimmt, inszeniert einen clever arrangierten, vor allem auf den Tiroler Berggipfeln überragend fotografierten und selten vorhersehbaren Kriminalfall.

Die Tätersuche gestaltet sich knifflig und der Cast ist durch die Bank überzeugend. Einzig der trottelige Gendarm Franz Pfurtscheller (Alexander Mitterer, Der Teufel vom Berg), der bereits zum achten Mal im Tatort zu sehen ist und Eisner mehr Arbeit macht als ihm zur Hand zu gehen, nervt schon in seiner zweiten Szene und reibt sich immer wieder in müden Streitereien mit dem türkischen Kollegen Vedat Özdemir (Tim Seyfi, Schatten der Angst) auf.

Der agiert in Telfs permanent zwischen den Fronten: Als gebürtigen Österreicher akzeptieren ihn die in Tirol lebenden Türken genauso wenig als einen der Ihren wie die alteingesessenen Dorfbewohner und auch das Vertrauen des bisweilen entnervt agierenden Wiener Kollegen Eisner muss er sich mühsam erarbeiten. Diese Spannungen zwischen den Ermittlern verschärfen den Ton zusätzlich, sorgen immer wieder für emotionale Handgemenge und stehen der fiebrigen Geschichte gut zu Gesicht.

Und Dauerpatient Eisner, der im Tatort körperlich so oft einstecken muss (vgl. Unvergessen, Lohn der Arbeit)? Der wird diesmal nur in den Anfangsminuten von einem Wespenstich gehandicapt und macht für öffentlich-rechtliche Verhältnisse überraschend klare Ansagen.


EISNER:
Schluss jetzt! Wir sind hier nicht in Istanbul! Ihr lebt’s in Österreich, ihr arbeitet’s in Österreich, also redet ihr Deutsch! Und zwar alle!

Bewertung: 6/10


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