Folge: 877 | 16. Juni 2013 | Sender: MDR | Regie: Miguel Alexandre
Bild: MDR/Saxonia Media/Junghans |
So war der Tatort:
Stimmungsvoll.
Zweifellos tolle Winterbilder liefert der langjährige TV-Regisseur Miguel Alexandre (Die kleine Zeugin), der zum zweiten Mal nach Todesbilder einen Leipziger Tatort inszeniert und sich erstmalig auch als Kameramann versucht, in Die Wahrheit stirbt zuerst. Doch leider nützt eine hübsche Verpackung, zu der auch der Gastauftritt der bereits zweimal im Tatort zu sehenden Katja Riemann (Katjas Schweigen) zählt, am Ende wenig, wenn der Inhalt nicht überzeugt.
Und da liegt der Hase im Pfeffer: Das Drehbuch von Alexandre und den nicht minder TV-erprobten André Georgi (Fette Hunde) und Harald Göckeritz (Mord in der ersten Liga) ist die größte Schwäche eines melancholisch angehauchten, emotionalen Tatorts aus Sachsen, der trotz Starbesetzung und wundervollen Seeaufnahmen letztlich nur die bekannten Versatzstücke des Sonntagskrimis aneinanderreiht und von Beginn an mit seiner mangelnden Glaubwürdigkeit zu kämpfen hat.
Da spendet Hauptkommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) dem hauptverdächtigen Peter Albrecht (Pasquale Aleardi) schon mal spontan im Laderaum eines Leichenwagens (!) ein paar Liter Blut: Klingt eher nach einem typisch grotesken Gag der Münsteraner Tatort-Kollegen, ist aber tatsächlich todernst gemeint.
Auch die Auflösung, mit der Alexandre bis in die Schlussminuten hinter dem Berg hält, ist nicht vollends schlüssig, zählt am Ende aber noch zu den überraschenderen Momenten eines ansonsten reichlich konstruierten und einfallsarmen Fadenkreuzkrimis aus Leipzig, dessen Spannungskurve selten nach oben ausschlägt.
Exemplarisch für die Ideenarmut des Drehbuchautorentrios steht Riemanns Gastauftritt als toughe BKA-Ermittlerin Linda Groner, die Hauptkommissar Andreas Keppler (Martin Wuttke) zunächst am Telefon terrorisiert, penetrant auf einer selbstgedrehten Zigarette kaut und sich in der Pension des mürrichen Halbglatzkopfs einquartiert, um ihm bei den Ermittlungen schließlich die Zügel aus der Hand zu nehmen: Wie schon der schwache Leipziger Vorgänger Schwarzer Afghane wird auch dieser Leipziger Fall auf eine höhere, internationalere Ebene gehievt, so dass mal wieder die Uhr danach gestellt werden kann, dass das Geschehen auf dem Polizeipräsidium schon bald von Kompetenzgerangel, gegenseitigem Misstrauen und verletzten Eitelkeiten dominiert wird.
Szenen, wie man sie im Tatort schon dutzende Male deutlich besser gesehen hat. Dass der Zwist in einer Doppel-Suspendierung für Keppler und Saalfeld gipfelt, ist zwar mutig, verpufft aber letztlich ohne nachhaltige Wirkung, weil der 877. Tatort wenige Minuten später ohnehin zu Ende ist.
Für Fans der Leipziger Ermittler liefert Die Wahrheit stirbt zuerst zumindest eine interessante Weiterentwicklung der Figuren: Keppler wird von seiner Wiesbadener Vergangenheit
eingeholt und schwelgt mit Ex-Frau Saalfeld in Erinnerungen, während Laborratte Wolfgang Menzel
(Maxim Mehmet) förmlich über sich hinaus wächst und am Ende fast Freundschaft mit dem mürrischen Straßenbullen („Ich mag ihre Stimme nicht! Vielleicht auch nur das nicht, was sie sagt!“) schließt.
Pensionswirt Brunner (Tom Jahn) hingegen plaudert munter aus dem Nähkästchen und
bittet Groner
zum gemeinsamen Frühstück: Alles nett anzusehen, aber trotz des stimmungsvollen Auftakts am Seeufer in den seltensten Fällen wirklich fesselnd.
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