Folge: 876 | 9. Juni 2013 | Sender: Radio Bremen | Regie: Florian Baxmeyer
Bild: Radio Bremen/Jörg Landsberg
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So war der Tatort:
Zeitlupenreich.
Rein ästhetisch ein durchaus reizvolles Unterfangen – schließlich spielten sich schon eine ganze Reihe denkwürdiger Szenen der Filmgeschichte (man denke an 2001: Odyssee im Weltraum oder Spiel mir das Lied vom Tod) in reduzierter Geschwindigkeit ab.
Doch das Stilmittel, auf das Regisseur Florian Baxmeyer (Der illegale Tod) viel zu oft zurückgreift, will in Er wird töten nicht immer zum Geschehen passen: Wenn Aushilfskommissar Leo Uljanoff (Antoine Monot Jr., Das Dorf) beim Todeskampf vor den Pissoirs der Herrentoilette vergeblich versucht, sich das tödlich im Rücken steckende Messer herauszuziehen, verleiht die Zeitlupe der großartig arrangierten Sequenz zusätzliche Dramatik.
Wenn aber Kriminalassistent Karlsen (Winfried Hammelmann) der trauernden Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel), die die kompletten neunzig Minuten über in einer eigenwilligen Kegelkutte ermittelt, auf dem Flur des Präsidiums bedeutungsschwanger ein Indiz in die Hand drückt und danach wortlos ins Büro abmarschiert, wirkt das eher unfreiwillig komisch.
Die inszenatorische Einseitigkeit ist aber nicht die einzige Schwäche eines Tatorts, der nach dem überzeugenden Vorgänger Puppenspieler und dem überraschenden Auftaktmord an Publikumsliebling Uljanoff – Technikfreak Gisbert aus dem hochkarätigen Münchener Tatort Der tiefe Schlaf lässt grüßen – qualitativ an viele indiskutable Bremer Folgen der jüngeren Vergangenheit (vgl. Ordnung im Lot oder Hochzeitsnacht) anknüpft.
Die Antwort auf die Täterfrage ist erschreckend leicht zu beantworten: Joseph Vegner (Peter Schneider, der eine Doppelrolle stemmt) ist als unsympathischer Ex-Sträfling und terrorisierender Ex-Mann der aufgelösten Ärztin Marie Schemers (Annika Kuhl, Nachtgeflüster) so extrem verdächtig, dass er für jeden halbwegs krimierprobten Zuschauer sofort als Mörder ausscheidet. Und da lediglich eine einzige weitere Person charakterlich näher skizziert und mit entsprechender Kamerapräsenz bedacht wird, muss das Publikum eigentlich nur noch 1 und 1 zusammenzählen.
Und dann ist da noch die überraschende Rückkehr von Nils Stedefreund (Oliver Mommsen), der sich in Puppenspieler nach Afghanistan verabschiedet und in Er wird töten plötzlich wieder auf der Matte steht: Wie halbherzig die traumatischen Erfahrungen seines Auslandseinsatzes im 876. Tatort abgefrühstückt werden, zeigt sich vor allem im direkten Vergleich zum deutlich gelungeneren Saarbrücken-Tatort Heimatfront, in dem sich die Hauptkommissare Kappl und Deininger in langen Gesprächen intensiv mit Kriegsrückkehrern auseinandersetzten.
Im Bremer Tatort hingegen werden Stedefreunds einschneidende Erlebnisse fast im Vorbeigehen abgehandelt: ein paar heimlich eingeschmissene Pillen, das blutende Gesicht eines Kameraden – das war’s. Das wird dem kontrovers diskutierten Bundeswehreinsatz und der psychischen Belastung der Soldaten nicht im Ansatz gerecht und ist am Ende fast das größte Ärgernis eines entsetzlich vorhersehbaren Tatorts, in dem einzig Annika Kuhl für die eine oder andere schauspielerische Duftmarke sorgt.
Man hätte dem sympathischen Uljanoff einen würdigeren Abschied gewünscht.
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