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Zirkuskind

Folge: 900 | 16. Februar 2014 | Sender: SWR | Regie: Till Endemann

Bild: SWR/Stephanie Schweigert

So war der Tatort:

Weit entfernt von der Klasse früherer Tage.

Was waren das noch für Zeiten, als die dynamische Jungkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) Ende der 80er Jahre in ihrem Debüt Die Neue frischen Wind in die männerdominierte Krimireihe brachte und in den 90er Jahren noch mit starken Drehbüchern wie dem zu Der kalte Tod gesegnet war. Ein Vierteljahrhundert später wirken sie und ihr langjähriger Partner Mario Kopper (Andreas Hoppe) wie ein Schatten ihrer selbst, weil sich die Figuren nicht mehr weiterentwickeln.

Odenthals 59. Einsatz steht dafür exemplarisch: Wären da nicht die Handys und die Frisuren der Kommissare, könnte man glatt meinen, Zirkuskind wäre der 400. oder 500., nicht aber der 900. Tatort. Die langweilige Inszenierung von Till Endemann wirkt angestaubt, die Dialoge der Kommissare extrem hölzern und das Drehbuch von Harald Göckeritz, der bereits den letzten Ludwigshafener Tatort Freunde bis in den Tod in den Sand setzte, so einfallsreich wie eine rote Rose zum Valentinstag.

Keine drei Monate nach Felix Murots spannungsarmem, aber zumindest originellen Pianisten-Intermezzo in Schwindelfrei schickt Göckeritz den Tatort erneut in die Manege, lässt Zirkusfan Odenthal freudestrahlend auf einem Drahtseil balancieren und beim Vorbeischlendern im Schaufenster eines Schmuckladens zufällig entscheidende Indizien für Mordmotive entdecken.

Über das Innenleben einer Zirkusgemeinschaft hat Göckeritz nichts Interessantes zu erzählen: „Das sind doch alles arme Schlucker“, wiederholt Geburtstagskind Edith Keller (Annalena Schmidt) die plumpe Ersteinschätzung ihres Vorgesetzten Kopper und bringt damit die einzige nennenswerte Erkenntnis der Filmemacher auf den Punkt.

Überboten wird die müde Sozialkeule nur noch durch die penetrante Wiederholung des Satzes „Du bist ein Zirkuskind“ – gemeint ist damit Felicitas, verkörpert von Nachwuchshoffnung Liv Lisa Fries, die zeitgleich zur TV-Premiere des Tatorts im rührenden Drama Und morgen mittag bin ich tot das Kinopublikum zum Schluchzen und sich selbst für ambitioniertere Projekte als diesen schwachen Krimi ins Gespräch bringt (später sehen wir sie als Hauptdarstellerin in Babylon Berlin). 


In ihrer Nebenrolle ist sie ebenso unterfordert wie Charakterdarstellerin Steffi Kühnert als Zirkuspatriarchin Louisana, die dem ermordeten Feuerspucker Pit (Mark Filatov) keine Träne nachweint, kurz vorm Abspann in ein peinliches Tutu gequetscht wird und beim Verhör selbst dann traurig ein Clownskostüm trägt, wenn seit Tagen alle Zirkusvorstellungen abgesagt wurden. Plakativer geht es kaum. Da passt es ins Bild, dass sich ihr antiquitätenschmuggelnder Angestellter Robbi (Hanno Koffler, Im Sog des Bösen) beim heimlichen Treffen mit einem Kontaktmann seine rote Zirkusjacke anzieht, um Kopper bei der Observierung in der Innenstadt ja nicht aus den Augen zu geraten.


Die überzeugenden Nebendarsteller Kühnert, Fries und Koffler sind die einzigen Lichtblicke in einem Krimi, in dem die Ermittler gemeinsam im Zirkus Popcorn knuspern, um am Morgen danach eine Leiche in der Manege zu finden, in dem Kopper gebetsmühlenartig alles für den Zuschauer wiederholt, was ihm sein Gesprächspartner am Telefon gesagt hat, in dem der suizidgefährdete Bademantelträger (bedauernswert: Fritz Roth, Mord in der ersten Liga) eine eindrucksvolle Bewerbung für die dämlichste Nebenfigur der Tatort-Geschichte abgibt, und in dem die Krisenherde Irak und Libyen in einer zweiminütigen Präsidiumspräsentation abgefrühstückt werden. 


Wären da nicht Fries & Co. und der ohne größere Logiklöcher konstruierte Mordfall – Zirkuskind wäre nach Flops wie Der Schrei oder Der Wald steht schwarz und schweiget das nächste Desaster aus Ludwigshafen geworden.

Bewertung: 3/10


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