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Der Fall Reinhardt

Folge: 905 | 23. März 2014 | Sender: WDR | Regie: Torsten C. Fischer

Bild: WDR/Uwe Stratmann

So war der Tatort:

Franziskafrei.

Denn ein kleines Schwarz-Weiß-Bild mit Trauerflor ist das Einzige, was in Der Fall Reinhardt noch an die verstorbene Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) erinnert: Im Fall 1 nach Franziska gibt es daher auch keine störenden Männergeschichten oder ähnliche Störfeuer mehr – stattdessen einen fast übereifrigen Aushilfsassistenten und Hobby-Kampfsportler, der den langjährigen Kölner Hauptkommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) bei den Ermittlungen zur Hand geht.

Tobias Reisser (Patrick Abozen) ist „der Neue“ in der Domstadt – und zugleich einer von drei Kandidaten, die sich ab sofort im Kölner Tatort ausprobieren dürfen. Es ist aber nicht nur Reisser, der trotz mürrischer Worte des diesmal ebenfalls mitmischenden
Brandkommissars Uwe Schatz (Roland Silbernagl) für frischen Wind im Kölner Polizeipräsidium sorgt: Ballauf und Schenk geben sich weniger kumpelhaft als in den vergangenen Jahren und lassen die Betroffenheitskeule stecken – was angesichts der beklemmenden Ausgangslage gleich doppelt überraschend ist. Drei tote Kinder, qualvoll verbrannt in den Flammen des Elternhauses, die Mutter geschockt und der Vater verschwunden: Statt überflüssiger Worte drücken die Mienen der Kommissare und Spurensicherer bei der einleitenden Tatort-Besichtigung alles Nötige aus.

Diese Zurückhaltung steht Der Fall Reinhardt auch in der Folge ausgezeichnet zu Gesicht: Regisseur Torsten C. Fischer (Ein ganz normaler Fall) inszeniert ein ruhiges, aber intensives Krimidrama, das Kameramann Holly Fink (Tempelräuber) in kraftvollen, deprimierenden Bildern einfängt. Die Stars sind diesmal ohnehin nicht die Kommissare, sondern die Hauptverdächtigen: Gerald (Ben Becker, Tod im Häcksler) und Karen Reinhardt (Susanne Wolff, Heimspiel) stehen nach dem Feuertod ihrer Kinder vor den Trümmern ihres Lebens.


BALLAUF:
Geht’s Ihnen besser? Freut mich. Dann können Sie ja auch aufhören zu lügen.

Während Ben Becker (Tod im Häcksler), dessen Schwester Meret ab 2015 im neuen Berliner Tatort als Hauptkommissarin Nina Rubin auf Mördersuche geht, seine Paraderolle als Choleriker souverän aus dem Ärmel schüttelt, trägt die groß aufspielende Susanne Wolff den Film fast im Alleingang. Ihre an Amnesie leidende Karen Reinhardt ist das emotionale Zentrum eines atmosphärisch dichten Familiendramas, das nach starkem Auftakt im Mittelteil ein wenig an Fahrt verliert, aber rechtzeitig zum tragischen Finale wieder auf Touren kommt.

Wolff, die 2013 für ihre Rolle im TV-Drama Mobbing mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, besticht mit einer herausragenden Performance und stiehlt Becker & Co. von Beginn an die Show. Das liegt auch daran, dass Becker von Drehbuchautorin Dagmar Gabler, die zuletzt am Skript zum brillianten Bremer Tatort Brüder mitschrieb, weniger Raum zur Entfaltung eingeräumt wird, weil er erst in der zweiten Filmhälfte ins Geschehen eingreift.

Lebt der Film bis dato von der Frage, wo der verschwundene Familienvater abgeblieben ist und wer wohl hinter dem Brandanschlag steckt, offenbart sich spätestens nach dem zweiten, etwas halbherzig eingeflochtenen Verhör des Benzinkanister hortenden Hausmeisters Detlev Heller (Steffen Scheumann), dass die Brandanschläge nicht direkt mit dem Dreifachmord an den Reinhardt-Kindern in Zusammenhang stehen müssen.

Krimierprobte Zuschauer wird die Auflösung der Täterfrage nicht überraschen, aber das macht nichts: Der Fall Reinhardt überzeugt als stimmig in Szene gesetzte Demaskierung einer einst heilen Familienwelt und als beklemmendes Protokoll eines sozialen Abstiegs, dessen tragisches Ende Symbolkraft besitzt: Die Villa steht in Flammen, die schmucke Fassade ist ruiniert.

Damit bestätigt der Kölner Tatort nach dem hochspannenden Vorgängerfall Franziska den Aufwärtstrend im Jahr 2014 – und man darf gespannt sein, ob dieses Niveau gehalten werden kann.

Bewertung: 7/10


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