Folge: 921 | 26. Oktober 2014 | Sender: SWR | Regie: Patrick Winczewski
Bild: SWR/Alexander Kluge |
So war der Tatort:
Kopperfrei – zumindest fast die komplette erste Filmhälfte.
Und das ausgerechnet zum 25-jährigen Jubiläum: Ein Vierteljahrhundert nach ihrem Dienstantritt in Ludwigshafen muss Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, Debüt 1989 in Die Neue) in Blackout lange Zeit auf die Dienste ihres Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe, Debüt 1996 in Der kalte Tod) verzichten, weil der sich als Aushilfsmusikant zu seiner heiratenden Cousine nach Italien verabschiedet.
Ein Glück, dass gleich Ersatz parat steht: Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter, Todesbilder), die von nun an fest zum Team zählt, filmt schon die Auftaktleiche des Architekten Justus Wagner, dem man eine Champagnerflasche in den Hintern gesteckt hat, mit ihrem Tablet – und scheint dabei selbst nicht ganz zu wissen, warum. Wackeliges Amateurvideo statt professioneller Blitzlichtbilder der Spurensicherung? Nun ja. Man mag sich vorstellen, wie bemüht diese Szene erst in zehn Jahren aussehen muss, wenn die Technik längst drei Schritte weiter ist und Blackout auf irgendeinem Dritten Programm wiederholt wird.
Vieles an Sterns Attitüde erinnert an die bereits nach einer Folge wieder abservierte Kölner Aushilfsassistentin Miriam Häslich (Lucie Heinze), die Freddy Schenk (Dietmar Bär) im vielgelobten Ohnmacht mit papierloser Dokumentenverwaltung beeindruckte. Vergleicht man Sterns Profiling aber zum Beispiel mit dem des Dortmunder Kollegen Peter Faber, offenbart sich ein Klassenunterschied: Außer vielsagendem Stirnrunzeln bei der Betrachtung selbstgedrehter Videos oder der Verhöre im verspiegelten Nebenzimmer hat die junge Blondine vor allem vage Vermutungen und pseudomoderne Digitalplädoyers im Köcher.
STERN:Wow, echtes Papier! Ist ja voll old school!
Ihre Aufgaben hätte man auch Allroundtalent Peter Becker (Peter Espeloer) mit seinem gewohnt kurpfälzischen Dialekt („Natürlich habbich auch noch sein‘ Dabblet-PC gecheckt!“) zugetraut – Stern scheint als Figur vor allem dazu zu dienen, frischen Wind in den zuletzt überholt wirkenden Tatort aus der Rheinstadt zu bringen und die rastlose Bauchgefühl-Ermittlerin Odenthal aus der Reserve zu locken.
Ein sinnvoller Ansatz, doch das
Drehbuchduo Eva und Volker A. Zahn (Scherbenhaufen) und Regisseur
Patrick Winczewski, der zuletzt den schwachen Bodensee-Tatort Winternebel inszenierte, tragen dabei ziemlich dick auf. Odenthals Selbstzweifel, Fehler und Erschöpfungserscheinungen sind zwar ein erfrischender Pluspunkt und zweifellos das Interessanteste an ihrem 60. Fall – doch während die Kommissarin sich und das Schicksal ihrer Katze in den Gesprächen mit Stern, Kopper und Barkeeper Max (Christopher Buchholz) reflektiert, bleiben die übrigen Figuren auf der Strecke: Außer der suizidgefährdeten Witwe Ella Wagner (Marion Mitterhammer, Ruhe sanft) wird in Blackout kaum einer der Tatverdächtigen charakterlich näher skizziert.
Auch die Ermittlungen gestalten sich nur mäßig spannend, denn bis zur Auflösung und dem extrem konstruiert wirkenden Showdown im Steinbruch reihen sich viele Präsidiumssequenzen lieblos aneinander.
Die Ermittler staunen über
Sterns Methoden, tun das, was man in einem Krimi nach Schema F von ihnen erwartet und trinken literweise Kaffee aus
leeren Tassen, weil sich die Requisite mal wieder das Befüllen gespart
hat.
So macht vor allem der zwar kitschig in Szene gesetzte, aber ungewohnt drastische Schlussakkord Hoffnung, dass
es mit dem Tatort aus Ludwigshafen bei besseren Drehbüchern und erweiterter Besetzung wieder aufwärts gehen könnte. Das Gesamtkunstwerk Lena Odenthal bröckelte zuletzt schließlich gewaltig.
ODENTHAL:Ich kann das nicht, hin- und herswitchen zwischen Arbeitstier und
Privatmensch.STERN:Verstehe schon, Sie sind ein Gesamtkunstwerk.
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