Folge: 937 | 22. Februar 2015 | Sender: HR | Regie: Sebastian Marka
Bild: HR/Degeto/Bettina Müller |
So war der Tatort:
Zu früh.
Mit dem Frankfurter Hauptkommissar Frank Steier (Joachim Król) verlässt in Das Haus am Ende der Straße nämlich einer der charismatischsten Tatort-Ermittler aller Zeiten die Bildfläche – und das leider viel zu früh, nach nur sieben Einsätzen. Oder vielleicht gerade, wenn es am schönsten ist?
Egal ob Eine bessere Welt, Der Tote im Nachtzug oder Wer das Schweigen bricht: Steiers fünf Einsätze mit der Kollegin und Powerfrau Conny Mey (Nina Kunzendorf) fielen allesamt überzeugend aus, nur sein vorheriger Solo-Tatort Der Eskimo, bei dem er einmalig von Kommissarsanwärterin Linda Dräger (Alwara Höfels, Auf einen Schlag) unterstützt wurde, blieb hinter den Erwartungen zurück. Das Haus am Ende der Straße ist die würdige Krönung dieser kurzen Erfolgsgeschichte – ein hervorragend arrangierter, fabelhaft besetzter und atmosphärisch unheimlich dichter Psychothriller, der die bisherigen sechs Steier-Krimis sogar noch übertrifft.
Das kommt nicht von ungefähr: Für das Drehbuch verantwortlich zeichnen Erol Yesilkaya (Alle meine Jungs) und Michael Proehl, der zuvor bereits die beste (Im Schmerz geboren) und zweitbeste (Weil sie böse sind) Tatort-Folge aller Zeiten konzipierte. Die beiden Autoren schreiben dem alkoholkranken Ermittler einen großartigen Abschiedsfall auf den Leib und brechen dabei mit vielen eisernen Prinzipien der Krimireihe: kein einleitender Leichenfund, keine Spurensicherung, keine Auswertung von Indizien, keine
Verhör-Automatismen.
Auch die Täterfrage wird nicht gestellt: Wer in diesem Krimi der böse Bube ist, steht von vornherein
fest. Es ist der mehrfach vorbestrafte Nico Sauer (Maik Rogge), der vor Steiers Augen ein kleines Mädchen erschießt und vor Gericht freigesprochen wird, weil der Kommissar („Ich will wieder der Held in meinem eigenen Film sein!“) in der Nacht zuvor mal wieder einen über den Durst getrunken hat.
Dass Steier Sauer daraufhin auf eigene Faust zur Rechenschaft ziehen will, ist der Startschuss zu einem fiebrigen Katz-und-Maus-Spiel, das den abgehalfterten Ermittler direkt in Das Haus am Ende der Straße führt: Ex-Polizist Rolf Poller (Armin Rohde, Dicker als Wasser) beobachtet, wie Nico Sauer mit seinem Bruder Robin (Vincent Krüger, Todesschütze)
und dessen drogensüchtiger Freundin Lisa (Janina Schauer) einen
Einbruch verübt und Hausbesitzer Matthias Langenbrock
(Steffen Münster, Altlasten) brutal erschlägt.
Die Filmemacher kreieren in der Folge einen etwas konstruierten (alle anderen Häuser
in der Straße stehen leer), aber reizvollen
Mikrokosmos, in dem Gesetze
und Regeln nach einer fesselnden Schlüsselsequenz
im Badezimmer außer Kraft gesetzt werden und es plötzlich Poller ist, der drei gefangene Einbrecher und einen gefangenen Kommissar
geschickt gegeneinander ausspielt.
Schnell wandelt sich der 937.Tatort vom bitteren Justizdrama
zum fesselnden Psychothriller: Ein besonders gelungener Einfall ist ein Loch in der Wand, durch das der
angekettete Safeknacker Robin mitansehen muss, was Poller im
Nachbarzimmer mit seinen Komplizen
anstellt. Weil Steier nur wenig und der von Frau und Sohn verlassene Poller
überhaupt nichts mehr zu verlieren hat, steuert der Film konsequent auf
einen dramatischen Showdown zu, in dem alles möglich scheint – von der
Überwältigung des Peinigers bis hin zum Heldentod des Kommissars.
Bis dahin tragen die beiden Hauptdarsteller den Film mit ihrem mitreißenden Spiel fast im Alleingang: Joachim Król gibt seinen
alkoholkranken Ermittler gewohnt launisch und abgewrackt, und auch Rohde, der mit Król 1994 in Sönke Wortmanns Kassenschlager Der bewegte Mann ein ungleiches Schwulenpärchen mimte, wirft sein Können in die Waagschale.
Das ergibt unter dem Strich trotz kleinerer Logik-Löcher allerfeinste Tatort-Unterhaltung – die Messlatte für Margarita Broich und Wolfram Koch, die drei Monate später in Kälter als der Tod als Anna Janneke und Paul Brix die Nachfolge von Joachim Król und Nina Kunzendorf antreten, liegt hoch.
Schreibe einen Kommentar