Folge: 951 | 14. Juni 2015 | Sender: Radio Bremen | Regie: Florian Baxmeyer
Bild: Radio Bremen/Jörg Landsberg |
So war der Tatort:
Phrasenreich.
Denn es sind keine zwölf Minuten in Wer Wind erntet, sät Sturm vergangen, da ist auch schon das erste Phrasengewitter über den Zuschauer hereingebrochen: „Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle“, sinniert Umweltaktivist Henrick Paulsen (Helmut Zierl, Mauerblümchen), als er sich nach einer Ein-Mann-Aktion auf einem Windrad selbst filmt – und wird nicht müde, diese platte Binsenweisheit bis zum Abspann noch ein halbes Dutzend Mal zu wiederholen.
„Ich will die Welt ein bisschen besser machen“, behauptet hingegen Windpark-Betreiber Lars Overbeck (Thomas Heinze, Keine Polizei), dem es durchaus gelegen kommt, dass Paulsen nach dem Upload des skandalträchtigen Videos von der Bildfläche verschwindet und nicht weiter Stimmung gegen seinen finanziell angeschlagenen, aber ins Visier der Umweltschützer geratenen Konzern schüren kann.
„Jeder Mensch braucht große Ziele“, weiß indes Hauptkommissar Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) – in diesem ermüdenden Phrasenkanon fehlt eigentlich nur noch Kollegin Inga Lürsen (Sabine Postel), die sich aber erfreulicherweise mit Weisheiten zurückhält. Für unbeabsichtigte Komik sorgt sie dafür an anderer Stelle: „Unter uns: Manche Aktionen bewundere ich“, gesteht Lürsen dem tatendurstigen Umweltschützer Kilian Hardendorf (Lucas Prisor, Kälter als der Tod), der sich bei Paulsens Ex-Frau Katrin Lorenz (Annika Blendl, Ein ganz normaler Fall) im Garten einquartiert hat – übersieht dabei aber, dass in diesem vermeintlich vertraulichen Moment nicht nur Stedefreund, sondern vor allem ein wildfremder Polizist direkt neben ihr und dem Verdächtigen sitzt und die Ohren spitzt.
Es sind diese unbeholfenen Momente, die der durchaus differenziert vorgetragenen Kritik an der Energiewende – hier wird keineswegs nur zu einem plumpen Rundumschlag gegen böse Konzerne ausgeholt – die Substanz rauben: Die Dialoge der Drehbuchautoren Wilfried Huismann (Schiffe versenken), Dirk Morgenstern und Boris Dennulat (Alle meine Jungs) sind nicht halb so originell wie der Krimititel, der das
beinharte Geschäft mit der Offshore-Energie und den Protest der
Umweltschützer auf den Punkt bringt.
Ein ernstes Thema, das der Bremer Stammregisseur Florian Baxmeyer (Puppenspieler) hier anpackt – das aber naturgemäß nur sehr bedingt mit der chaotischen Slapstick-Prügelei harmonieren will, die Overbeck und Hardendorf zwischen Puppenhäusern und Bücherstapeln vortragen und dabei mit einer Gitarre (!) aufeinander einprügeln. Bud Spencer und Terence Hill lassen grüßen.
Auch die stark überzeichneten Figuren schaden der Geschichte eher: Neben dem mal mehr, mal weniger wortgewandten Overbeck („Ihr könnt mich vielleicht besiegen, aber brechen könnt ihr mich nicht!“) ist da auch noch der vampireske Fondsmanager und Konkurrent Milan Berger (großartig: Rafael Stachowiak, Borowski und der Himmel über Kiel), der mit der Waffe eines Vierfachmörders am Kopf einen Skype-Anruf seiner aufgeweckten Oma entgegennimmt („Die ruft sonst immer wieder an!“). Overbeck und Berger liefern sich zwar ein reizvolles Duell – doch spätestens auf der Zielgeraden wird der 951. Tatort, dessen Auflösung früh ersichtlich ist, zur Lachnummer.
Was in Alle meine Jungs
– in dem es mit dem Müllpaten Uwe Frank (Roeland Wiesnekker) ebenfalls
eine stark überzeichnete Figur gab – noch passabel funktionierte, gerät
hier aus dem Ruder, weil sich alle Beteiligten (inklusive zwanzig
übermotivierter Blaumann-Statisten in Overbecks Werkshalle) einfach
viel zu ernst nehmen. „Sie verlieren hier völlig die Verhältnismäßigkeit“, bilanziert Lürsen am Ende – ein Fazit, das man auch für viele Szenen in diesem Tatort ziehen
könnte. Da retten die tollen Nordseebilder von Kameramann Peter Krause, die Erinnerungen an den Falke-Tatort Mord auf Langeoog wecken, am Ende nur wenig.
Schreibe einen Kommentar