Folge: 978 | 6. März 2016 | Sender: MDR | Regie: Richard Huber
Bild: MDR/Andreas Wünschirs |
So war der Tatort:
Weiblich.
Denn zum ersten Mal in der über vierzigjährigen Tatort-Geschichte geht ein rein weibliches Ermittlerduo auf Täterfang: Die Dresdner Oberkommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski, … es wird Trauer sein und Schmerz) und Henni Sieland (Alwara Höfels, Der Eskimo), die in Sachsen die 2015 geschassten Keppler und Saalfeld beerben, suchen mitten im Herzen des schmucken Elbflorenz nach dem Mörder des erschlagenen Schlagersängers Toni Derlinger (Anton Weber).
Unterstützt werden sie bei ihrem Debüt von der naiven Polizeianwärterin Maria Magdalena Mohr (Jella Haase, Puppenspieler) und Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, Falsch verpackt) – und schon allein der Blick auf die mit klangvollen Namen gespickte Besetzung macht deutlich, dass der MDR nach der kolossalen Bruchlandung mit dem nach zwei Folgen zu Recht wieder abgesetzten Tatort Erfurt einen weiteren Fehlschlag vermeiden möchte.
Ansonsten setzt der Sender auf Erfahrung: Regisseur Richard Huber (Der irre Iwan) und Drehbuchautor Ralf Husmann vertrauen in Auf einen Schlag dem vielfach erprobten Erfolgsprinzip der Krimireihe und entspinnen vor den Kulissen der Dresdner Altstadt und hinter den Kulissen einer Musikshow ein klassisches Whodunit-Konstrukt, bei dem die Auflösung bis in die Schlussminuten offen bleibt.
Angereichert wird die Geschichte mit Seitenhieben auf die vermeintlich heile Schlagerwelt und reichlich Altherrenwitz. Nicht von ungefähr werden dabei Erinnerungen an eine ebenfalls von Husmann konzipierte Büroserie wach: Schnabels sexistische Sprüche und die gelegentliche Political Incorrectness („Was soll das sein, ein Neger im Kohlenkeller?“) sind stark an Ekel-Chef Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) angelehnt, bringen aber trotz einiger Volltreffer nicht immer den erhofften Lacher.
SCHNABEL:
Sie haben sich aufgeführt wie zwei Elefantinnen im Porzellanladen.
GORNIAK:Soll das heißen, wir sind dick?
Vor allem die erste Hälfte des Films dominieren verbale Schlagabtäusche im Präsidium und ausufernde Diskurse über die Rolle von Mann und Frau – das ist stellenweise durchaus amüsant, klingt aber auch oft wie aus einem anderen Jahrzehnt.
Der im Gestern lebende Chauvi Schnabel („Ich hab‘ dieses verdammte Internet in Verdacht!“) hat als Figur dennoch Potenzial für die Zukunft – anders als Polizeianwärterin Mohr, die mit ihrer sympathischen Greenhorn-Art zwar mehrere Szenen stiehlt, aber nur dieses eine Mal im Dresdner Tatort zu sehen ist.
Auch die Kommissarinnen schlagen sich wacker: Die bissige Gorniak („Ich hab ’ne Arschloch-Allergie, da krieg‘ ich Ausschlag.“) und die etwas entspannter zu Werke gehende Sieland präsentieren sich als verschworene Einheit und sind anders als Schnabel auch nach Feierabend zu sehen: Sieland hat Probleme mit ihrem Freund Ole Herzog (Franz Hartwig, Totenstille) und dem Kinderkriegen, Gorniak mit ihrem aufmüpfigen Sohn Aaron (Alessandro Emanuel Schuster). Für die Spannung sind private Nebenkriegsschauplätze wie diese zwar Gift, in einer Erstlingsfolge wie dieser aber nun mal fast unverzichtbar.
Die klischeebeladenen Verdächtigen schmälern den Unterhaltungswert aber deutlich stärker: Der ursächsische Mit-Mutti-Mau-Mau-Spieler Walther Ungerland (Michael Specht) ist bis ins Karikatureske überzeichnet, während der aalglatte Musikproduzent Maik Pschorrek (der Rostocker Polizeiruf 110-Ermittler Andreas Guenther, Großer schwarzer Vogel), der abgehalfterte Manager Rollo Marquardt (Hilmar Eichhorn, Rendezvous mit dem Tod) und Dirndl-Sängerin Laura (Sina Ebell) immer genau das tun, was man von ihnen erwartet.
Auch an hübschen Postkartenmotiven mangelt es dem ersten Dresdner Tatort seit der Versetzung der früheren MDR-Kommissare Ehrlicher und Kain nach Leipzig nicht: Ein Großteil des Films wurde im berühmten Zwinger gedreht und die obligatorische Verfolgungsjagd führt im 978. Tatort über einen Touri-Dampfer auf der Elbe. Zumindest die Verpackung dieses etwas enttäuschenden Krimi-Debüts kann sich also sehen lassen.
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