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Die Geschichte vom bösen Friederich

Folge: 983 | 10. April 2016 | Sender: HR | Regie: Hermine Huntgeburth

Bild: HR/Bettina Müller

So war der Tatort:

Herrmannesk.

Denn wie schon im wunderbaren Wiesbadener Tatort-Meilenstein Im Schmerz geboren sorgt beim dritten Fall der Frankfurter Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks für die musikalische Begleitung – und setzt mit den an das Gesamtwerk von Hollywood-Legende Bernard Herrmann erinnernden Klängen das stimmungsvolle i-Tüpfelchen auf eine der stärksten Tatort-Folgen des Jahres 2016.


Die Geschichte vom bösen Friederich dürfte manchem Zuschauer als Titel bekannt vorkommen, denn sie stammt aus dem gruseligen Kinderbuch-Klassiker Struwwelpeter und lehrt uns: Wer Tiere quält, der muss am Ende dafür büßen. Das Verbrennen eines Kaninchens und das Massakrieren einer Katze zählt allerdings noch zu den harmloseren Gräueltaten des gewieften Psychopathen, mit dem es die Frankfurter Ermittler zu tun bekommen: Frauenmörder Alexander Nolte (Nicholas Ofczarek, Der oide Depp), der schon als Schüler seine Eltern und Lehrer zur Verzweiflung trieb und später seine Freundin eiskalt in der Badewanne ertränkte, wurde nach fast zwanzig Jahren aus dem Gefängnis entlassen.

Das durchtriebene und charismatische Tatort-Pendant zum wütenden Friederich aus dem Struwwelpeter ersticht den bettelnden Obdachlosen Martin Busche (Manuel Harder, Todesschütze), ohne mit der Wimper zu zucken, und nimmt Kontakt zu Janneke auf: Die frühere Polizeipsychologin hatte einst das Gutachten erstellt, das Nolte ins Gefängnis brachte. Dank der Fürsprache von Psychologin Helene Kaufmann (Ursina Lardi, Freddy tanzt), die ein Verhältnis mit ihrem vordergründig besserungswilligen und eleganten Klienten begonnen hat, kam er später allerdings wieder auf freien Fuß – und lockt Janneke in seine spärlich eingerichtete Wohnung.


NOLTE:
Kaffee? Kekse? Ist Mozart okay?

Die leinwanderprobte Regisseurin Hermine Huntgeburth inszeniert zum allerersten Mal einen Tatort – und angesichts des hohen Unterhaltungswerts wünscht man sich sehr, dass ihr erster Beitrag zur Krimireihe nicht ihr letzter bleibt.

Passend zu den herrmanesken Klängen des Sinfonieorchesters durchsetzt die Filmemacherin ihren packenden Psychothriller mit vielen Suspense-Momenten, die an Alfred Hitchcock erinnern: Wenn Nolte in Jannekes Küche seelenruhig zum Messer greift oder Brix‘ ahnungsloser Mitbewohnerin Fanny (Zazie de Paris) einen Besuch abstattet, dürfte vielen Zuschauern ein Schauer über den Rücken laufen.

Dass der Zuschauer von Beginn an um die Tat des Ex-Knackis weiß, erweist sich dabei als Vorteil: Die Geschichte vom bösen Friederich ist ein weiterer Beleg für die alte Tatort-Weisheit, dass die Folgen, bei denen der Mörder von Beginn an fest steht, häufig die besseren sind. Hier geht es nicht darum, den Täter zu finden, sondern weiteres Morden zu verhindern: Losgelöst von den üblichen Erzählstrukturen der Krimireihe spitzt Drehbuchautor Volker Einrauch Jannekes Konfrontation mit Nolte immer stärker zu.

War es im letzten Frankfurter Tatort Hinter dem Spiegel noch Brix, der von seiner Zeit bei der Sitte eingeholt wurde, muss sich diesmal Janneke ihrer Vergangenheit stellen, denn sie erlag einst Noltes Charme und scheint als Einzige zu erkennen, dass sich bei ihm um den gesuchten Mörder und einen personifizierten Alptraum handelt. Das ist zwar nicht hundertprozentig glaubwürdig, aber ungemein unterhaltsam.

Nicht von ungefähr weckt der blendend aufgelegte Nicholas Ofczarek in seiner Rolle Erinnerungen an Kult-Killer Kai Korthals (Lars Eidinger), der es in Borowski und der stille Gast sowie in Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes schon zweimal mit den Kieler Kommissaren zu tun bekam: Der ebenso unberechenbare und manipulative Bösewicht lebt seine blutigen Phantasien und perversen Tagträume direkt vor den Augen des Zuschauers aus und lässt ihn so an seiner unbändigen inneren Wut teilhaben.

Eher plump wirken allerdings die brachialen Rammstein-Klänge, die das Naturell des Killers unterstreichen und den Film musikalisch rahmen sollen: Hier wäre weniger mehr gewesen. Kleinere Schönheitsfehler sind aber auch dank des hochspannenden Schlussdrittels locker zu verschmerzen: Dank der ansonsten herausragenden Filmmusik, vieler Spannungsmomente und einem tollen Bösewicht ist der dritte Fall von Janneke und Brix ihr bisher bester.

Bewertung: 8/10


Kommentare

2 Antworten zu „Die Geschichte vom bösen Friederich“

  1. Ein herausragender Tatort. Ähnlich wie in Folgen wie "Borowski und der Engel" wird hier eine Figur in allen Facetten erfasst – und das extrem gekonnt. Immer wenn Nolte erscheint, erwartet man das Schlimmste. Tolle Kamera. Tolle Musik. Tolle Schauspielkunst von allen Beteiligten. Reduziert auf wenige Akteure, aber dafür wahnsinnig intensiv. Zudem tun die Meinungsverschiedenheiten zwischen Janneke und Brix dem Team unheimlich gut.
    Einfach nur spitze! Von mir gibt es 9/10 Punkte.

  2. Avatar von Lieber nicht
    Lieber nicht

    Brutal, beklemmend. Eigentlich eher Privatfernsehniveau. Man wird über Minuten Zeuge/ teilnamsloser Beobachter/ Voayer mehrer kaltblütiger Morde. Im Vordergrund stehen Angst und die Demonstration
    der unmotivierten Bösartigkeit eines Menschen. Einmal mehr kam ich zu dem Schluss, dass man sich nur noch wenige Tatortfilme anschauen kann, wenn man eigentlich daran interessiert ist, zu sehen wie Verbrechen aufgeklärt und nicht wie sie begangen werden.

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