Folge: 992 | 4. September 2016 | Sender: ORF | Regie: Thomas Roth
Bild: ARD Degeto/ORF/Superfilm/Klaus Pichler |
So war der Tatort:
Terrierfreundlich.
Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) hat es in diesem Wiener Tatort nicht leicht: Seine Tochter Claudia (Tanja Raunig) zieht mit ihrem muslimischen Freund in eine neue Wohnung und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) quartiert heimlich die tatverdächtige Victoria Oshchypko (Janina Rudenska) bei sich ein – doch da ist ja zum Glück noch Parson Russell Terrier Percy, der Fellner nach dem Fund eines brutal ermordeten Geschäftsmannes unverhofft nachläuft und schon bald in Eisner sein neues Herrchen sieht. Der findet das zwar zunächst überhaupt nicht komisch, irgendwann aber doch Gefallen an seinem neuen Mitbewohner und der tierischen Gesellschaft nach Feierabend.
Ähnlich wie in den Münchner Tatort-Folgen mit Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) oder den Bremer Tatort-Folgen mit Inga Lürsen (Sabine Postel) sorgen die Hundeszenen aber nicht für öffentlich-rechtlichen Polizei-Kitsch á la Da kommt Kalle, sondern für wohldosierte Entschleunigungsmomente – in einem unterhaltsamen, wenn auch stellenweise brutalen Kiezkrimi. Einmal mehr schickt der ORF seine Ermittler dahin, wo’s weh tut: ins Milieu des organisierten Verbrechens, das Fellner noch bestens aus ihrer Zeit bei der „Sitte“ kennt und in dem keine Gefangenen gemacht werden.
Trotz des gewohnten Whodunit-Konstrukts wird schnell klar, dass nur der feindselige Restaurantbesitzer Ramazan Tagaev (Daniel Wagner) oder der großkotzige Zuhälter Andy Mittermeier (famos: Michael Fuith, Grenzfall) als (Auftrags-)Mörder infrage kommen: Die Auflösung ist in Die Kunst des Krieges zweitrangig, wenngleich Sektionschef Ernst Rauter (Hubert Kramar) natürlich das Gegenteil behauptet.
RAUTER:Und am Ende finden wir raus, wer den Türken umgebracht hat. Das wär‘ nämlich schon auch wichtig.
Wie viele österreichische Tatort-Macher vor ihm stellt Regisseur und Drehbuchautor Thomas Roth (Deckname Kidon) den Toten einleitend förmlich zur Schau: Wurde in Sternschnuppe der Jurychef einer Castingshow in seiner Dusche stranguliert, gab in Falsch verpackt der zur Eisleiche erstarrte Martin Brambach den Ermittlern Rätsel auf.
Diesmal steckt das Opfer mit dem Kopf in einer Kommode – brutal abgeschlachtet und mit einem elektrischen Dönermesser um wichtige Körperteile erleichtert. Die obligatorische zweite Leiche hängt in bester Hannibal-Manier publikumswirksam in luftiger Höhe – es bleibt nicht der letzte Todesfall in einem Krimi, der sich auf der Zielgeraden zum actiongeladenen Thriller wandelt. Hier wird der Bogen allerdings deutlich überspannt: Der überzeichnete Auftritt der ganz in schwarz gekleideten Killerin „Asia“ (Puti Pendekar Kaisar), die gut in einen Martial-Arts-Streifen oder James-Bond-Film gepasst hätte, leitet einen fast absurden Showdown ein, bei dem so ziemlich jede Bewegung in Zeitlupe eingefangen wird.
Dabei entfernt sich der 992. Tatort ohne Not von seinen Wurzeln und ist nah dran an den umstrittenen Hamburger Beiträgen mit Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardim), bei denen fast ausschließlich die Action im Vordergrund steht. Die wummernden Beats, die ein wenig zu häufig zum Einsatz kommen, verstärken den Over-The-Top-Eindruck, doch es überwiegen die positiven Aspekte: Die zuletzt drei Mal in Folge nur bedingt überzeugenden Eisner und Fellner harmonieren bei ihren amüsanten Kabbeleien wieder prächtig, wenngleich ihr Wiener Schmäh und die mangelhafte Tonabmischung des Films wieder so manchen Zuschauer auf die Palme bringen.
Das Einschalten lohnt sich aber allein schon wegen des charismatischen Antagonisten: Der in Waschbärpelz gekleidete, glatzköpfige Lude Mittermeier bedient zwar alle Klischees, schreckt bei seiner titelgebenden Kunst des Krieges aber vor nichts zurück, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Für den Spannungsbogen erweist sich das als effektiv: Im Rahmen einer hochspannenden Sequenz im Restaurant wird Eisner nach seinem unpraktischen Gipsbein in Lohn der Arbeit, seiner heftigen Grippe in Kein Entkommen und seiner retrograden Amnesie in Unvergessen gesundheitlich einmal mehr arg in Mitleidenschaft gezogen, so dass das Publikum nach Herzenslust um den Ermittler bangen darf.
Schreibe einen Kommentar