Folge: 1033 | 29. Oktober 2017 | Sender: HR | Regie: Andy Fetscher
Bild: HR/Benjamin Dernbecher |
So war der Tatort:
Schaurig schlecht.
Was nicht allein daran liegt, dass der sechste Einsatz der Frankfurter Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) alles andere als ein gewöhnlicher Tatort ist: Fürchte dich ist ein waschechter Horrorfilm, der in der Krimireihe seinesgleichen sucht und erneut den Beweis dafür liefert, wie sehr der Hessische Rundfunk immer wieder darum bemüht ist, deren Grenzen mit seinen Beiträgen auszuloten.
Doch während diese Rechnung beim überragenden Meilenstein Im Schmerz geboren oder der selbstironischen Film-im-Film-Konstruktion Wer bin ich? wunderbar aufging, scheitert sie diesmal kolossal. Für einen schockierenden Horrorfilm ist Fürchte dich zu trashig und vorhersehbar – für eine Parodie hingegen nimmt Regisseur Andy Fetscher, der gemeinsam mit Christian Mackrodt auch das Drehbuch zum Film schrieb, die übernatürliche Geschichte viel zu ernst.
Der Auftakt ist noch am ehesten gelungen: Der aus dem Seniorenheim ausgebüxte Otto Schlien (Axel Werner, Kassensturz) will das Haus von Brix und seiner Vermieterin Fanny (Zazie de Paris) in Brand stecken – wird aber in letzter Sekunde von einem Wesen aus der Dunkelheit von hinten gepackt und an der Tat gehindert. Später sind es knarrende Schaukelstühle, mysteriöse Geräusche auf dem Dachboden oder eine schreckliche Begegnung im Wasserdampf, die den Zuschauer das Fürchten lehren – wem die gewöhnliche Suspense-Dosis in öffentlich-rechtlichen Sonntagskrimis schon genug Nervenkitzel ist, der braucht hier Nerven wie Drahtseile.
Als der Geist, der sich in Brix‘ Wohnhaus eingenistet hat, aber irgendwann von Fannys Körper Besitz ergreift, verabschiedet sich der Film mit Volldampf in die unfreiwillige Komik: Während Janneke, Brix und Schliens Enkeltochter Merle (Luise Befort) in der Realität geerdet sind und der Geschichte durch ihre Nachforschungen den Anspruch auf Ernsthaftigkeit verleihen, stiefelt Fanny geistesabwesend – oder vielmehr: geistesanwesend – durch den dunklen Keller, pinselt kryptische Symbole an die Wände und verspeist genüsslich eine weiße Tennissocke, die ihr Janneke in den Mund gestopft hat. Das ist nicht gruselig, das ist nicht witzig – das ist einfach nur befremdlich.
FANNY:
Willst du deiner Urgroßmutter nicht ein Glas Wasser bringen?
MERLE:Was?
FANNY:
Mein Hals ist von dieser unsäglichen Sportsocke völlig ausgetrocknet.
Wer sich in einem Tatort mit dem ausgiebigem Wildern im Haunted House-Genre anfreunden kann, kommt eine Zeit lang durchaus auf seine Kosten – wem das alles zu gruselig oder realitätsfern ist, der wird hingegen in Rekordzeit abschalten.
Für den ungewohnt schwachen Frankfurter Vorgänger Land in dieser Zeit erntete der HR bereits viel Kritik, die im Vergleich zu seinem außergewöhnlichen und gänzlich familieninkompatiblen Halloween-Beitrag allerdings nur ein laues Lüftchen ist: Mag man über den folgenreichen Verzehr eines Stücks Schwarzwälder Kirschtorte zwischenzeitlich noch schmunzeln, schießen die Filmemacher im Schlussdrittel komplett über ihr Ziel hinaus und lassen den 1033. Tatort jegliche Bodenhaftung verlieren.
Mit einem klassischen Tatort hat Fürchte dich kaum mehr zu tun als das parallel im ZDF laufende Herzkino, und so kommen am Ende weder die Tatort-Puristen noch die Horror-Fans auf ihre Kosten: Vor allem bei der Visualisierung einer Untoten wird das schmale Budget im Vergleich zu einer Kino-Produktion deutlich – und wenn Geister aussehen wie aus einer Geisterbahn, sind sie vielleicht auch besser dort aufgehoben. Anderswo wird mit abgegriffenen Jump Scares billige Effekthascherei betrieben oder uninspiriert bei Genre-Vorbildern abgekupfert: Eine furchterregende Frau auf dem Schrank kennen wir aus Conjuring, eine kotzende Todgeweihte aus Der Exorzist und das Vortasten im Dunkeln mit dem Blitzlicht einer Spiegelreflexkamera aus Saw.
Und dann gibt es da noch zwei Figuren, die ihre Daseinsberechtigung in diesem schrägen Horror-Krimi komplett schuldig bleiben: Darf der neue Vorgesetzte Fosco Cariddi (Bruno Cathomas), der bei seinem irritierenden Debüt in Land in dieser Zeit beim Publikum sang- und klanglos durchfiel, gerade einmal sieben Sätze sagen, beschränkt sich Merles auffällig tätowierter Vater Lutz Schlien (Marko Dyrlich, Der sanfte Tod) auf animalische Laute und wahnhafte Zerstörungswut. Sein rätselhafter Auftritt ist das unrühmliche i-Tüpfelchen auf ein vielversprechend beginnendes, am Ende aber grandios gescheitertes Tatort-Experiment – von denen es zukünftig nur noch zwei im Jahr geben soll, wie die ARD kurz vor der TV-Premiere des Films bekannt gab. Zufall?
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