Bild: Das Erste

Das stille Geschäft

Folge: 81 | 6. November 1977 | Sender: NDR | Regie: Jürgen Roland

Bild: NDR/Telepress
So war der Tatort:
Belehrend.
Im Mittelpunkt von Jürgen Rolands vierteiliger Tatort-Serie mit Oberstleutnant Delius (Horst Bollmann) steht das unbekannte Arbeitsfeld des Militärischen Abschirmdiensts (MAD) – der für den Regisseur sehr typische, reportagehaftige Inszenierungsstil lässt dem Serienauftakt Das stille Geschäft streckenweise aber fast die Anmutung eines Bundeswehr-Lehrfilms zukommen.
Die lange Vorbereitungs- und Recherchezeit ist dem spannenden Krimidrama an vielen Stellen anzumerken und sorgt für einen realitätsnahen Hintergrund: Auslöser für die Erarbeitung des ersten Spionage-Tatorts war eine Übung, die Roland 1974 selbst als Oberleutnant der Reserve im Panzergrenadierbatallion 82 in der Heide abgeleistet hatte. Diese gut durchdachte Grundidee bildet das tragfähige Gerüst für ein Drehbuch, in dem es Fred Zander und Joachim Wedegärtner gleichwohl übertreiben mit dem Versuch, alles erklären und das Publikum in Bundeswehrspezifika einführen zu wollen.
Einleitend kommt bei einem Verkehrsunfall in Lüneburg ein Mann ums Leben, dessen Papiere sich als Totalfälschung herausstellen: Die Spurenlage führt den ermittelnden Hannoveraner Kommissar Heinz Brammer (Knut Hinz) auf die Fährte von DDR-Agenten, denn in den sichergestellten Asservaten aus dem Unfallauto findet sich ein Steuermodul. Als klar wird, dass es sich dabei um ein Bauteil für das Zielsystem des Kampfpanzers Leopard 1 handelt, kommt der MAD in Person von Delius ins Spiel, der von da an gemeinsam mit Brammer ermittelt.
Hauptdarsteller Knut Hinz erhält dabei einmal mehr kaum die Chance, sich zu profilieren (vgl. … und dann ist Zahltag) – nicht zuletzt deshalb, weil in der Rollencharakteristik völlig unklar bleibt, warum ausgerechnet ein Ermittler aus der Landeshauptstadt für einen gewöhnlichen Autounfall in der Hansestadt an der Ilmenau zuständig ist. Horst Bollmann hingegen mimt einen erfrischend unaufgeregten, lässigen MAD-Ermittler, der sich den Ost-Agenten selbstbewusst entgegenstellt, aber auch die Grenzen seiner Möglichkeiten akzeptiert. Illusionslos, aber nicht resignierend, resümiert er seine Aufklärungschancen.

DELIUS:
In diesem Beruf braucht man unendlich viel Geduld.

BRAMMER:
Ist das nicht manchmal langweilig?

DELIUS:

Finden Sie Schach spielen langweilig?


Die Ermittlungen führen die beiden zum Leiter der Panzerinstandsetzung, Hauptfeldwebel Ulrich Meineke (Claus Theo Gärtner, Gefährliche Wanzen), der vom Ostberliner Spion Jahn (Günther Ungeheuer, So ein Tag) erpresst worden war, das Modul für ihn zu besorgen. Jahn lenkt den Verdacht geschickt auf einen von Meinekes Kameraden, damit ein weiterer Versuch gestartet werden kann, die DDR in den Besitz von westlichem Wissen zu bringen.
Gerade die Rolle von Kommissar Brammer wird dramaturgisch auf ständiges Nachfragen reduziert, nur selten kann sich Das stille Geschäft von seinem aufklärenden Tonfall lösen. Manche kleinen, den Zeitgeist widerspiegelnde Verzierungen runden diesen Eindruck ab: die Darstellung eines Tanzabends im Unteroffizierskorps etwa, oder eine von Alida Gundlach moderierte Modenschau; mit Bademoden aus Italien, „wasserabstoßend und Männer anziehend“. Das ist alles ein wenig zu viel.
Auch die Profilierung weiterer Rollen bleibt fragwürdig: Wieder einmal wird Günther Ungeheuer auf den klassischen Bösewicht reduziert, wenngleich er diese Hauptrolle zweifellos wunderbar ausfüllt. Die Darsteller der Bundeswehrsoldaten wiederum übertreiben ihr Spiel, zudem sind die Originalaufnahmen der Panzerfahrer aus der Lüneburger Schlieffen-Kaserne erkennbar nachlässig – und dann noch mit hölzernen Dialogen – synchronisiert.
Wirklich herausstechen kann neben Günther Ungeheuer auch der spätere Ein Fall für zwei-Kultermittler Claus Theo Gärtner, der in der Darstellung den Spagat zwischen loyalem Soldaten und treuem Ehemann meistert. Ebenso Cilla Karni, die seine Ehefrau Ina spielt. Gemeinsam gestalten sie intensive Szenen des gemeinsamen Versuchs, ihr Zusammenleben zu retten, verstricken sich aber immer tiefer und ausweglos in die Abhängigkeit des Ost-Geheimdienstes.
In der Quintessenz bleibt der 81. Tatort trotz der genannten Mängel ein durchaus spannender, deutsch-deutscher Agentenfilm. Die personell und materiell umfangreiche Unterstützung durch die Bundeswehr spiegelt sich in fein choreografierten Bildern wider, mit denen Bernd Schofeld, der später auch in den Delius-Filmen Freund Gregor und Der Schläfer hinter der Kamera steht, zum Beispiel die Panzerfahrten in Werkstatt und Gelände inszeniert. Allerdings wird nicht nur in der optischen Auflösung deutlich, dass die Bundeswehr und der damalige MAD-Chef, Brigadegeneral Paul-Albert Scherer, bei dem selbsterklärten Versuch, die Meinung der Bevölkerung über den Abschirmdienst positiv zu beeinflussen, auf den richtigen Regisseur gesetzt haben.
Bewertung: 6/10

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert