Bild: NDR/Christine Schroeder

Letzte Ernte

Folge 1311

26. Oktober 2025

Sender: NDR

Regie: Johannes Naber

Drehbuch: Benedikt Röskau, Stefan Dähnert, Johannes Naber

So war der Tatort:

Apfelreich.

Die 2017 nach ihrem folgenschweren Aussetzer in Der Fall Holdt nach Göttingen strafversetzte Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) kehrt ihrer vorübergehenden Zwangsheimat, in der sie an der Seite von Anais Schmitz (Florence Kasumba) nie glücklich wurde, nämlich nach fünf Jahren den Rücken: Nach ihrem letzten Auftritt in Geisterfahrt heuert sie in Letzte Ernte wieder beim niedersächsischen LKA an, für das sie schon 2002 in Lastrumer Mischung debütierte. Ihr erster Solo-Fall an neuer, alter Wirkungsstätte führt sie ins größte Obstanbaugebiet Nordeuropas: Zwischen den endlosen Apfelplantagen im Alten Land wurde in einer Scheune ein rumänischer Aushilfsbauer enthauptet. Sein Kopf ist verschwunden.

Wirklich solo ist Lindholm bei der Aufklärung des brutalen Verbrechens, das nur auf den ersten Blick wie ein Arbeitsunfall aussieht, allerdings nicht unterwegs: Wie zu ihren früheren Tatort-Zeiten üblich, stellt der NDR ihr einen ortskundigen, intellektuell eindeutig unterlegenen Dorfpolizisten zur Seite, der sich von LKA-Koryphäe Lindholm maßregeln und die Grenzen aufzeigen lassen muss. Der junge Olaf Gerke (Ole Fischer, Feierstunde), der privat gerade ein Haus baut, ist bereits am Leichenfundort überfordert, weil es ihm am passenden Equipment mangelt und er sich auch sonst ähnlich unvorsichtig anstellt wie sein Dresdner Tatort-Kollege Peter Michael Schnabel eine Woche zuvor in Siebenschläfer.


GERKE:
Höherer Dienstrang. Die macht jetzt hier die Ansagen.

Eine Figurenhierarchie wie schon vor über 20 Jahren – und überhaupt scheint es so, als wäre die Zeit in diesem Themenkrimi stehengeblieben. Nicht nur im Alten Land, wo allein die Debatte um das umstrittene Bayer-Produkt Glyphosat und ein paar Digitalmomente den Tatort in den 2020er-Jahren verorten. Auch erzählerisch lässt Letzte Ernte Innovationen aus und spult routiniert und formelhaft das ab, was auch schon damals in den Tatort-Folgen mit Charlotte Lindholm ständig stattfand. Das Drehbuchautorentrio um Benedikt Röskau, Stefan Dähnert (Schweigen) und Johannes Naber, der auch Regie führt, arrangiert einen über weite Strecken harmlosen, altbackenen Tatort, in dem immer genau das passiert, was man erwartet.

Denn natürlich hat Olaf Gerke, der schon bei seinem ersten Auftritt einen seltsam ertappten Eindruck hinterlässt, eine Leiche im Keller. Natürlich tobt auch im Alten Land der ewige, vom NDR schon in Der sanfte Tod oder Borowski und eine Frage von reinem Geschmack erzählte Konflikt zwischen Bio-Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft, bei dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Dabei lernen wir etwa, dass Äpfel bis zur Ernte bis zu dreißig Mal gespritzt werden. Und natürlich muss drum herum ein Familiendrama konstruiert werden, damit es auch menschelt und der Tatort kein seelenloser Wirtschaftskrimi wird.

Mit nur drei Personen bleibt der Kreis der Tatverdächtigen dabei überschaubar: Die aktivistische Bio-Bäuerin und Hobby-Imkerin Marlies Feldhusen (Lina Wendel, Borowski und das hungrige Herz) führt den Hof mit ihrem Sohn Sven (Henning Flüsloh, Liebe mich!) und dessen Frau Frauke (Ronja Herberich), sieht es aber mit Häme und Argwohn, dass die beiden kinderlos sind. Solche klischeehaften Figuren sind nicht nur leicht auszurechnen, sondern beim Dauerfeuer mit bedeutungsschwangeren Allgemeinplätzen („Du kennst von allem den Preis, aber von nichts den Wert“) schnell auserzählt und ermüdend. Den Filmschaffenden gelingt es nur selten, die Spannungsschraube anzuziehen: Der 1311. Tatort plätschert trotz des spektakulären Mords und der zweifellos kniffligen Frage, wie und von wem die Tat durchgeführt wurde, ohne größere Aufreger und mit viel Erklärbär-Momenten vor sich hin.

Und mündet schließlich in ein überlanges Finale, das so müde bei Agatha-Christie-Romanen abgekupfert ist, dass sich in der wackeligen Feldhusen-Scheune die Balken biegen: Da versammelt die LKA-Kommissarin alle brav antanzenden Tatverdächtigen inklusive Großbauer Hajo Klinkicht (Tim Porath) auf Stühlen, um vor ihrem gespanntem Publikum eine grandiose Auflösungsvorstellung abzuziehen. Die zum Laufburschen degradierte Polizeianwärterin Swantje Vollmer (Denise Teise) hält dabei fleißig Pappfotos hoch und illustriert die Zusammenhänge – ganz so, als sei das ein Schauprozess für Denkfaule und keine Vernehmung von Mordverdächtigen. Am Ende hängen irgendwie alle mit drin – das kann man als Hommage an Mord im Orient-Express oder einfach als pure Einfallslosigkeit werten.

Anderswo wird ziemlich dick aufgetragen: Auf ein festes Büro vor Ort verzichtet Lindholm – das hat Tradition – auch aufgrund des miserablen Internets ganz; ein karges Pensionszimmer und Telefonate mit der in Hannover gebliebenen LKA-Kollegin Hanna Elinsdottir (Safak Sengül) reichen aus, um Recherchen im mobilen Arbeiten zu erledigen. Einmal schaut sie dann doch in der mit Akten vollgestellten Dorfwache vorbei, während beim LKA papierlos gearbeitet wird – so viel Zaunpfahl muss sein. Vom Regionalkrimi-Einheitsbrei im den Öffentlich-Rechtlichen hebt sich Letzte Ernte damit unterm Strich kaum ab – trotz oder gerade auch wegen der prachtvollen Landschaftsaufnahmen vom Alten Land, die diesen Krimi allein nicht ins Mittelmaß hieven.

Bewertung: 4/10


Kommentare

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22 Antworten zu „Letzte Ernte“

  1. Die Lindholm-Tatorte sind voll und ganz auf Frau Furtwängler zugeschnitten, sie verfolgen nur den Zweck diese Dame in Szene zu setzten. Alle anderen Schauspieler werden als Volltrottel hingestellt.

  2. Avatar von Dr. Deiters
    Dr. Deiters

    Was für ein fiktiver Mumpitz geprägt von unrealistischen Alleingängen mit Einquartierung am Tatort etc., etc., etc.

    Dass sie als Charakterdarstellerin für einen Tatort dieser Seichtheit und Plakativität ihre Nase zur Verfügung stellen, Frau Furtwängler, lässt sich wohl nur mit dem finanziellen Anreiz erklären?

    Ein grosses Lob jedoch für Ronja Herberichs schauspielerisches Einfühlungsvermögen als Frauke, die sicher viel weniger Honorar für ihre Leistung beziehen wird als die „Kommissarin“. Sehr schade!

    Dr. Deiters

  3. Avatar von Wildpark 1894
    Wildpark 1894

    Kompletter Quatsch und Blödsinn ist dieser Tatort
    Die Polizisten von der örtlichen Dienststelle werden von Anfang bis zum Ende des Krimis als absolute Trottel und Lakaien der Super-Ermittlerin vom LKA dargestellt
    Die Handlung und die durchgeführten Ermittlungen sind hanebüchen und haben mit der Realität relativ wenig zu tun
    Für mich nur sehr unterdurchschnittlich und nur ein von zehn möglichen Punkten

  4. Avatar von Christine Seidel
    Christine Seidel

    Niemand ist gezwungen ein Krimi im Ersten, Sonntag Abend zuschauen. Ich mache es, und mit Interesse war ich auch diesmal dabei. Alles passte…Wer was anderes erwartet, und alles besser weißt, soll Drehbuch Autor werden.
    Korruption gibt es überall, merkwürdige „Umstände“ auch.
    Manchmal hilft zwischen den „Zeilen“ zu lesen, um die komplexe
    Welt zu verstehen.

  5. Wann geht Frau Furtwängler endlich in Rente ?

    1. Ich fand ihn Gut mal eine andere Ermittlung 👍

  6. Avatar von Lila Lotta
    Lila Lotta

    Klasse Tatort, gut gespielt, sehr realistische Darstellung der Not der Bauern und wer Miss Marple oder CLUEDO liebt, dem hat auch (wie mir) der Schluss in der Scheune absolut gut gefallen. Davon mehr bitte

  7. Avatar von stadtlandmensch
    stadtlandmensch

    Unrealistischer Beginn (Unfalltod?), unrealistische Auflösung.

    Dass konventionelle Äpfel bis zu 40mal gespritzt werden ist schon krass. Wusste ich noch nicht. Ist aber wohl Tatsache, ebenso die Rückstände…

    Auch dass Parkinson als Berufskrankheit nach Pestizideinsatz anerkannt ist, habe ich gelernt. Krass dass die EU Glyphosat weiter erlaubt und CDU, CSU und AFD sich für den Gifteinsatz engagieren.

    1. Avatar von MacAndrew

      Glyphosat ist nur in sehr sehr hohen l, unrealistischen Mengen womöglich gesundheitsschädlich. In den normalen Gebrauchsmengen ist es nicht gefährlich für den Verbraucher. Irgendwie muss man ja die Erträge erzielen.

  8. Hätte nicht gesendet werden dürfen.
    Unrealistische Story, schlichte Sachauspielerin.
    Keint Tatort.

  9. Dem Kommentar von Volker Brandt schließe ich mich an. Dieses ständige Abwerten der Menschen die ländlich strukturiert leben ist so unerträglich und überheblich. Auch ein geköpftes Opfer konnte mich nicht davon abhalten, mich nach der Hälfte der Zeit anderweitig unterhalten zu lassen.

  10. Avatar von Karl–Heinrich Heuer
    Karl–Heinrich Heuer

    Und schon bemerken die konventionellen Apfelbauern im alten Land einen Nachfrage-und Umsatzrückgang ! Wiederum ein mediales Geschenk für die Bio-Apfelbauern im Alten Land! Gutmenschen gegen Böse !

  11. Avatar von Angelika Adner
    Angelika Adner

    Der beste Tatort, den ich seit Langem gesehen habe: Eine souveräne Lindholm, man war jede Sekunde dabei und neugierig, wie es weitergeht, 100% schlüssig (was man leider nicht von jedem Krimi sagen kann) und mit einer völlig unerwarteten Wendung am Ende. 10 von 10 Punkten.

  12. Avatar von MacAndrew

    Besser wär gewesen, wenn der Täter der Altbauer gewesen wäre. Motiv Eifersucht. Nach der Tat verfällt er in den halbkomatösen Zustand oder er tut nur so. Dann verliebt er sich in die Kommissarin und will gestehen. Dann wird er von seiner Frau euthanasiert. Oder so.

    1. Na, da hat doch mal jemand ne gute Alternative, oder darf man das Wort nicht mehr sagen? Ich fand den Tatort unerträglich. Diese völlig charakterlose Kommissarin, die so sang- und klanglos durch den Tatort huscht. Einfach schrecklich.

  13. Avatar von MacAndrew

    Der erste Fehler ist schon mal, einen Ermittler solo ermitteln zu lassen, der/die zudem mit dem Bus zum Einsatz fährt, das kann nicht gut gehen. Und dann quasi fast schon ein Kammerspiel auf dem Hof, Aussagen über Glyphosat, die dem unwissenschaftlichen Bauchgefühl Nahrung geben. Naja, am Ende löst die Kommsissarin wie Sherlock Holmes den Tathergang auf.

  14. Langweilig und ermüdend.

  15. Avatar von Volker Brandt
    Volker Brandt

    Mal wieder ein typischer Lindholm, supercoole LKA Ermittler zeigt dummen und korrupten Landbullen wie man richtig ermittelt. Wieder einmal musste der Landkreis Stade für diese Show herhalten (schon das zwei Mal). In diesem Tatort wurden alle Klischees über die Landbevölkerung aus der Mottenkiste geholt. Ausserdem hat die Polizei Stade anscheinend keine richtige Mordkommission (immerhin eine Stadt mit 50000 Einwohnern), ach ja, die sind ja alle unfähig, sonst würde das LKA Hannover nicht sofort anrücken. So ist doch bestimmt realistische Polizeiarbeit. Und was ich den Drehbuchautoren noch empfehlen würde: Bevor Ihr irgendwelche Ortsnamen in Euren Drehbüchern benutzt, schaut mal nach, ob die tatsächlich in dieser Region auch sind.

  16. Avatar von Andreas Schreyer
    Andreas Schreyer

    Bis auf wenige, interessante Momente, völlig ungewohnt schwach und niveaulos…dazu eine Musik, bei der sich sicher nicht nur mir die Frage stellt:
    Wer hat den „Tastenquäler“, im Nebenraum, gewähren lassen, als die Schauspieler agiere mussten…
    Nach wie vor unbegreiflich, dass wir Zuschauer nicht selbst entscheiden können, bei modernster Digitaltechnik, ob wir die Filme mit oder OHNE Musik sehen möchten…

    Ich könnte, seit Jahrzehnten, „koxxxn“

    ;-/

  17. Avatar von Dieter Stuckmann
    Dieter Stuckmann

    Ein solcher Unsinn ist einfach nur peinlich.

  18. Bis weilen klamaukig und überaus Klischeehaft! Ein Betrieb, wie in den 70ern, unordentlich, dreckig und herunter gekommen. Dann werden auch noch, trotz Unkenntnis, Aussagen über Pflanzenschutzmittel gemacht und so dargestellt, als wäre das Ganze gängige Praxis.
    Hier wird ein Bild der Landwirtschaft gezeichnet, dass so gar nicht existiert und so auch nicht gerade zuträglich für die Akzeptanz der hart arbeitenden Landwirte in unserem Land ist!

    1. Genauso schaut es aus, ich finde das unmöglich, wie hier über Pflanzenschutz geredet wird, nur hetze, typisch öffentliche rechtliche!!!!!!

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