Folge: 1013 | 5. März 2017 | Sender: SRF | Regie: Tobias Ineichen
Bild: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler |
So war der Tatort:
Beziehungsschädlich.
Was hatte der Luzerner Hauptkommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) zuletzt nicht für ein Geheimnis aus seiner neuen Freundin gemacht: Wie ein schüchterner Schuljunge hielt er mit ihrer Identität hinterm Berg, brezelte sich in Kleine Prinzen vor dem Spiegel für ein Date auf und ließ Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) erst im letzten Schweizer Tatort Freitod ihren Namen wissen. „Eveline! Ja, Eveline“, platzte es aus dem Kommissar und Bootsbesitzer heraus – am Ende war das aber nur eine Randnotiz in einem einmal mehr enttäuschenden Krimi aus der Schweiz.
In Kriegssplitter lernen wir Flückigers Geliebte nun endlich kennen, denn der gleichaltrigen Frau kommt eine Schlüsselrolle zu: Eveline Gasser (Brigitte Beyeler) trifft sich mit Flückiger auf ein Schäferstündchen in einem Hotelzimmer, doch die traute Zweisamkeit auf dem Balkon wird jäh unterbrochen, als ein Journalist durch das Fenster im Stockwerk darüber zu Tode stürzt. Der Kommissar muss seine Beobachtungen zu Protokoll geben und wohl oder übel nicht nur Ritschard, sondern auch Kriminaltechnikerin Corinna Haas (Fabienne Hadorn) sein Verhältnis zu der verheirateten Frau gestehen.
Doch kaum ist das Geheimnis gelüftet, ist die Beziehung fast schon wieder Geschichte: „Was läuft eigentlich an der anderen Front?“ fragt Ritschard in einer sehr gekünstelt wirkenden Szene, in der sich die Filmemacher die Charakterzeichnung überdeutlich auf die Fahnen geschrieben haben – Flückiger hat seiner Liebhaberin geraten, zurück zu ihrer Familie zu gehen.
Sein Dasein als einsamer Wolf ist in diesem Tatort aber sicher nicht von Nachteil, denn allein körperlich wird ihm eine Menge abverlangt – zum Beispiel dann, wenn er den unter Mordverdacht stehenden tschetschenischen Auftragskiller Pjotr Sorokin (Vladimir Korneev) mit einem gekonnten Manöver in die Horizontale zwingt.
FLÜCKIGER:Das ist Frau Ritschard, mein Name ist Flückiger – und du? Egal! Du bist verhaftet!
Drehbuchautor Stefan Brunner (Kleine Prinzen) und Regisseur Tobias Ineichen (Verfolgt) schlagen durch die Recherchen des getöteten Journalisten die Brücke zum Tschetschenienkrieg und erzählen in Kriegssplitter eine Geschichte, die auch gut nach Hamburg oder Wien gepasst hätte: In der Regel sind es die Tatort-Kollegen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) oder Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz), die sich mit internationalen Verstrickungen, dem organisierten Verbrechen oder terroristischen Bedrohungen auseinandersetzen müssen.
Luzern steht die politisch angehauchte Geschichte aber nicht minder gut zu Gesicht, was auch daran liegt, dass alle an einem Strang ziehen: Regierungsrat Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) zieht es diesmal vor, im russischen Abgesandten Michail Koslow (Ivan Shvedoff, Königskinder) einen gemeinsamen Feind auszumachen, statt den eigenen Leuten zur Verhinderung diplomatischer Schwierigkeiten unbeholfen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Im 1013. Tatort wirkt vieles eine Ecke dynamischer als in früheren Schweizer Beiträgen, denn für Spannung ist gesorgt: Schon der einleitende Fenstersturz ist ein scheppernder Hallo-Wach-Moment und auch im weiteren Verlauf der Geschichte drücken die Filmemacher bei der Suche nach Kriegsverbrecher Ramzan Khaskhanov (Jevgenij Sitochin, Schwindelfrei) zu den Klängen treibender Elektrobeats aufs Tempo. Toll arrangiert ist eine zufällige Begegnung von Flückiger und Auftragskiller Sorokin, die an derselben Ampel halten, ohne einander wahrzunehmen – hinzu kommen einige knackige Actionsequenzen, wie man sie in Luzern nicht häufig erlebt.
Als klassischer Krimi zum Miträtseln funktioniert der Film ebenfalls: Die Auflösung der Täterfrage, bei der auch die aus Tschetschenien geflüchtete Nura Achmadova (Yelena Tronina) und ihr Bruder Nurali Balsiger (Joel Basman, Borowski und der Himmel über Kiel) ein Wörtchen mitsprechen, wird bis in die Schlussminuten offen gehalten und dürfte nicht wenige Zuschauer überraschen.
Einmal mehr bedienen sich die Filmemacher dabei aber eines plumpen Kniffs: Ähnlich wie in Eine andere Welt oder Du gehörst mir wird ein entlarvendes Video erst kurz vor Schluss überprüft, obwohl man es bei genauerem Hinsehen schon früher hätte entdecken können. Hier wird der Dramaturgie ein wenig auf die Sprünge geholfen – angesichts des soliden Unterhaltungswerts sind kleinere Schönheitsfehler aber zu verschmerzen.
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