Folge: 1010 | 5. Februar 2017 | Sender: MDR | Regie: Sebastian Marka
Bild: MDR/Anke Neugebauer |
So war der Tatort:
Traditionsreich.
Denn da sind zum einen die Krimititel, für die sich der MDR in Weimar stets etwas Besonderes einfallen lässt: Der scheidende Schupo ist nach der spaßigen Auftaktfolge Die fette Hoppe, dem schrägen Nachfolger Der irre Iwan und dem etwas schwächeren dritten Fall Der treue Roy der vierte Einsatz der Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner), die seit ihrem Debüt im Jahr 2013 aus der Krimireihe kaum noch wegzudenken sind. Bietet der Tatort aus der Dichterstadt mittlerweile doch eine sehenswerte Alternative zu den populären Krimikomödien aus Münster – und während die Quotenkönige Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) nur noch selten überraschen, weiß man bei Lessing und Dorn nie, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird.
Das ist diesmal nicht anders: Beim titelgebenden Schutzpolizisten, der eine lebensbedrohliche Rizin-Vergiftung erleidet und dessen Freundin Andrea Münzer (Florentine Schara) bei einem Bombenanschlag ums Leben kommt, handelt es sich um Ludwig Maria Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey, Hinkebein), der von allen nur „Lupo“ genannt und kaum beachtet wird – auch nicht von Dorn, in die er bis über beide Ohren verliebt ist.
Traditionsreich ist auch das Porzellanunternehmen Scholder, dessen Firmenchef verstorben und dessen Teilerbe Lupo ist – ganz zur Unfreude der beiden verfeindeten Schwestern Desiree (Katharina Heyer, Tote Erde) und Amelie Scholder (Laura Tonke, Narben), deren Freund Ringo Kruschwitz (Florian Panzner, Großer schwarzer Vogel) einst von Lupo ins Gefängnis gebracht wurde.
Sinnvoll genutzt hat er die Zeit im Knast allerdings nicht, und er bringt nach seiner Entlassung ebenso ein Mordmotiv mit wie die Scholder-Schwestern und seine Mutter Olga (herausragend: Carmen-Maja Antoni, Feuertaufe), die für die Weimarer Kommissare bis zum Schluss nur schwer zu durchschauen ist.
LESSING:Hat Ringo im Knast irgendeine Ausbildung gemacht?KRUSCHWITZ:Als Spülhilfe, hat er aber abgebrochen.
Köstliche Dialoge wie dieser finden sich im 1010. Tatort en masse – die Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, die auch die ersten drei Folgen aus Weimar konzipierten, gehen den humorvollen Weg konsequent weiter und liefern mit Der scheidende Schupo einen kurzweiligen Krimispaß, bei dem Realitätsnähe und Logik hinter Situationskomik und Wortwitz zurückstehen.
Als Whodunit zum Miträtseln funktioniert der Film von Sebastian Marka, der zuletzt die überragenden Tatort-Folgen Die Wahrheit und Es lebe der Tod inszenierte, trotz aller Absurditäten und der unübersichtlichen Handlung trotzdem – wer sich aber auf einen klassischen Krimi mit verzwickter Auflösung gefreut hat, dürfte am vierten Fall von Lessing und Dorn früh die Lust verlieren.
Das titelgebende Opfer und die vielen Nebenfiguren – Kripochef Kurt Stich (Thorsten Merten) eingeschlossen – sind bis ins Karikatureske überzeichnet und die Spannungskurve ist in diesem schrägen Spektakel trotz einiger Schießereien und einer Verfolgungsjagd kaum messbar. Stattdessen punktet der Film aber mit witzigen One-Linern („Du hast Andrea in die Luft gejagt, sie wird immer noch größtenteils vermisst!“), einer pfiffigen Anspielung auf die legendäre Häcksler-Szene im Coen-Klassiker Fargo („Es ist nicht das, wonach es aussieht!“) und den blendend aufgelegten Darstellern, die sichtlich Spaß am Geschehen haben. Gelegentlich schießen die Filmemacher aber über ihr Ziel hinaus – zum Beispiel dann, wenn die Kommissare im Kofferraum einen großen Tank mit Exkrementen spazieren fahren.
Immerhin: Peinlicher Fäkalhumor, wie er dem Zuschauer 2012 im komplett missratenen Münster-Tatort Das Wunder von Wolbeck zugemutet wurde, bleibt dem Publikum erspart. Ein gewisser Streuverlust bei den Pointen ist allerdings nicht zu übersehen und auch das Lokalkolorit, ein Markenzeichen der Krimireihe und in Die fette Hoppe besonders stark ausgeprägt, kommt diesmal etwas zu kurz: Außer einer Stippvisite an einer Thüringer Rostbratwurstbude ist von der Stadt wenig zu sehen. Ein bisschen mehr Elan stünde den etwas schläfrig wirkenden Ermittlern außerdem gut zu Gesicht – andererseits bilden die Kommissare aus Weimar mit ihrer entspannten Gemütlichkeit und ihrem trockenen Dialogwitz einen angenehmen Gegenpol zu den exzentrischen Tatort-Kollegen aus Dortmund, Hamburg oder Berlin.
So ist Der scheidende Schupo in erster Linie ein Krimi zum Spaß haben – und gleichzeitig einer zum Schnell-wieder-Vergessen.
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