Folge: 1006 | 8. Januar 2017 | Sender: HR | Regie: Markus Imboden
Bild: HR/Degeto/Bettina Müller |
So war der Tatort:
Reich an deutschsprachigen Liedern und Gedichten – und auch an rechtem und nationalistischem Gedankengut.
Da ist zum einen der neue Kripo-Chef, der in Land in dieser Zeit ohne jede Vorwarnung der ARD den bisherigen Kommissariatsleiter Henning Riefenstahl (Roeland Wiesnekker) beerbt: Der musste seinen Schreibtisch nach seinem letzten Auftritt im schrägen Tatort Wendehammer für seinen Nachfolger Fosco Cariddi (Bruno Cathomas, Borowski und der Engel) räumen, der in jeder freien Minute die eigenwilligen Werke des österreichischen Dichters Ernst Jandl zitiert und nicht nur den verdutzten Hauptkommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), sondern vielen Zuschauern ein dickes Fragezeichen auf die Stirn zaubert.
Und da sind zum anderen drei junge Frauen, die ihre Freizeit in der rechten und rechtsintellektuellen Szene verbringen und gemeinsam im Chor singen: Friseurin Vera Rüttger (Jasna Fritzi Bauer), ihre Mitbewohnerin Juliane Kronfels (Anna Brüggemann, Tod einer Heuschrecke) und Margaux Brettner (Odine Johne) trällern am liebsten deutsche Volkslieder wie das titelgebende Kein schöner Land in dieser Zeit oder Hoch auf dem gelben Wagen und wehren sich vehement „gegen die Vermischung der Ethnien“ und afrikanische Dealer am Frankfurter Tettenbornplatz. Dort arbeitet Margaux im Kiosk ihres Vaters, dort schneidet Vera im Friseursalon ihrer Chefin Rosi Grüneklee (Birge Schade) Haare, und in eben diesem Salon finden die Kommissare nach einem Brandanschlag die verkohlte Leiche von Veras Arbeitskollegin Melanie Elvering.
Mit dem dealenden Senegalesen John Aliou ist ein Hauptverdächtiger für den Anschlag schnell gefunden: Dass Schauspieler Warsama Guled im Dortmunder Tatort Kollaps 2015 eine fast identische Rolle spielte, dürfte allerdings nur wenigen Zuschauern auffallen. Sehen ja ohnehin alle gleich aus, oder?
RÜTTGER:Was weiß ich, ’n Schwarzer eben.
Die Drehbuchautoren Khyana el Bitar (Das namenlose Mädchen), Dörte Franke (Verschleppt) und Stephan Brüggenthies (Das erste Opfer) begeben sich mit der vor allem von Brix vorgelebten Political Incorrectness („Scheiß Flüchtlinge, merde!“) auf dünnes Eis, doch es sind auch andere Dinge, die diesem verkorksten Tatort das Genick brechen: Neben der unbefriedigenden Auflösung lassen die Filmemacher das Gespür für eine stimmige Mischung aus kniffligem Kriminalfall, humorvollen Zwischentönen und gelegentlichen Exkursen ins Privatleben der Ermittler über weite Strecken vermissen.
Der rote Faden geht in Land in dieser Zeit oft verloren, weil das Erfolgsrezept der Krimireihe zugunsten von Dialogwitz und überflüssigen Trivialitäten vernachlässigt wird: Mehr als einmal fallen Akten zu Boden oder es wird Kaffee verschüttet, weil im Präsidium aus Versehen jemand angerempelt wird.
Das negative i-Tüpfelchen auf den missglückten Genremix sind die nervtötenden Vorlesungen von Neu-Chef Cariddi, der Brix schon bei der ersten Begegnung grundlos als „Clown“ beschimpft und ein bisschen zu sehr darum bemüht ist, dass die Herkunft des Hauptverdächtigen ja nicht an die Öffentlichkeit gerät. Spannung will selten aufkommen, die Nebenfiguren sind eindimensional gezeichnet und ihre Motive bisweilen schwammig: Warum die junge Vera sich zu Glatzköpfen und Schlägern hingezogen fühlt, wird allenfalls angedeutet, während die Existenzängste ihrer Chefin in wenigen Sätzen abgefrühstückt werden.
Immerhin: Die Auseinandersetzung mit dem rechten Milieu fällt differenziert aus, weil die Kommissare nicht alle fremdenfeindlichen Verdächtigen über einen Kamm scheren und die Denkweise von Juliane und Margaux sehr wohl von Veras zu unterscheiden wissen („Rechts ist nicht immer gleich rechts.“).
Im Vergleich zum thematisch ähnlich gelagerten Kölner Beitrag Odins Rache oder zum Dortmunder Tatort Hydra kann die 1006. Ausgabe der Krimireihe, den erneut der zuletzt vielbeschäftigte Regisseur Markus Imboden (Wendehammer, Klingelingeling) inszeniert, aber bei weitem nicht mithalten. Zum Glück findet der bis dato so überzeugende Tatort aus Frankfurt schon bald wieder in die Spur und der neue Kripo-Chef ein deutlich gesünderes Maß an poetischen Exkursen.
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