Folge: 916 | 14. September 2014 | Sender: BR | Regie: Rainer Kaufmann
Bild: BR/Heike Ulrich/Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion GmbH |
So war der Tatort:
Diplomatisch.
Denn die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) staunen nicht schlecht, als Der Wüstensohn und Teppichhändler Nasir al Yasaf (charismatisch: TV-Debütant Yasin el Harrouk) auf dem Beifahrersitz seines weißen Lamborghini eine Leiche durch die Isarstadt kutschiert und erst nach einer wilden Verfolgungsjagd gestellt werden kann: Der fünfte Sohn des Emirs von Kumar (ein fiktiver Wüstenstaat) genießt in Deutschland diplomatischen Schutz und darf für seine Eskapaden nicht belangt werden.
Die Drehbuchautoren Alexander Buresch und Matthias Pacht, die bereits zwei Polizeiruf 110-Folgen zusammen konzipierten, orientieren sich an der wahren Geschichte des (2011 bei einem Luftangriff getöteten) Saif al-Arab
Gaddafi, der zu seiner Studienzeit in München unbehelligt von der Justiz im Sportwagen umherbrauste und nach allen Regeln der Kunst über die Stränge schlug,
während sein Vater in Libyen herrschte.
Political Correctness schreiben die Autoren dabei klein – das ist ungewöhnlich für die Krimireihe, für den Unterhaltungswert aber ein Riesenvorteil. „Ich kenn‘ dich als Rassisten, aber gegen Araber? Das ist ja ganz neu“,
wundert sich selbst Leitmayr, als Batic den aufbrausenden Nasir als „Kameltreiber, blöder!“ beschimpft. Die Filmemacher um den leindwanderprobten Regisseur Rainer Kaufmann bedienen ganz offen Stereotypen, nehmen ihre schillernden Charaktere und die exotisch angehauchte Geschichte aber nie zu ernst. Da
trottet schon mal ein Dromedar wie selbstverständlich durch den Vorgarten der Prinzenvilla.
NASIR AL YASAF:Die zwei anderen sind gerade beim Besamen in Wien.
Anders als zum Beispiel im Leipziger Klischeefeuerwerk Türkischer Honig führen die kulturellen Überspitzungen zu köstlichen, aber nie albernen Dialogen, bei denen sich die altgedienten Kommissare in Top-Form zeigen.
„Wenn sie dir da die Hände abhacken, wer soll dann die Protokolle schreiben?“, fragt sich der von der Messerattacke im Meisterwerk Am Ende des Flurs genesene Leitmayr, nachdem Nasir seinen Kollegen Batic am liebsten mit nach Kumar nehmen würde, um ihm dort monatlich sein jetziges Jahresgehalt zu überweisen. Spaß machen auch die Szenen mit dem zahnstocherkauenden Partylöwen Henk (herrlich dumpf: Wilson Gonzalez Ochsenknecht), der am liebsten mit einer halbnackten Blondine auf der Spielekonsole zockt und auf Kosten des Prinzen teuren Schampus kippt.
Der Wüstensohn ist bis dato eine der humorvollsten Folgen aus München und
hätte auch gut nach Münster gepasst, doch die Grenze zum Klamauk
wird im 916. Tatort nie überschritten. Die zum Kitsch schon eher: Spätestens, als Nasir einen schrägen Klagegesang anstimmt, ist das gesunde Maß an kultureller Einfärbung voll.
Der diplomatische Schutz des exzentrischen Arabers tritt übrigens schon bald in den Hintergrund: Anders als der kumarische
Generalkonsul Abdel Saleh (Samir Fuchs, Melinda) zeigt sich Nasir kooperativ und begegnet Teppichfreund Batic („Der passt farblich bei mir nicht rein.“) fast freundschaftlich. Erst am Ende spitzt sich
die Lage erwartungsgemäß wieder zu, doch ist die Auflösung vorhersehbar: Wer einleitend
auf sich aufmerksam macht und dann wieder aus dem Blickfeld der Kommissare gerät, hat beim Mord nun mal mit ziemlicher Sicherheit seine Finger im Spiel. Dem hohen Unterhaltungswert tut dies kaum Abbruch.
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