Folge: 913 | 9. Juni 2014 | Sender: SWR | Regie: Martin Eigler
Bild: SWR/Johannes Krieg |
So war der Tatort:
Weit weniger fesselnd als die ähnlich gelagerten Knastkrimis Franziska oder Wer das Schweigen bricht.
Der Stuttgarter Hauptkommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) ermittelt zwar wie zuletzt die Tatort-Kollegen aus Köln und Frankfurt hinter hohen JVA-Mauern, doch entpuppt sich sein vierzehnter Einsatz im „Ländle“ früh als schleppender und vorhersehbarer als die Gefängnisfolgen der jüngeren Vergangenheit.
Das liegt auch daran, dass die Drehbuchautoren Sönke Lars Neuwöhner (Blutdiamanten) und Martin Eigler (Blutgeld), der auch Regie führt, das harte Knastmilieu in Freigang bis auf ein paar kleinere Reibereien ausblenden und den Kriminalfall durch den Schongang jagen: Packende Psychospielchen wie in Franziska? Düstere Drohkulissen wie in Wer das Schweigen bricht? Naja. Da hat man hinter Gittern schon Beängstigenderes gesehen.
Kollege Sebastian Bootz (Felix Klare) ermittelt derweil meist außerhalb
der Gefängnismauern – und hat nach dem Scheidungsantrag seiner Frau mit Alkoholproblemen zu kämpfen, die ihn ungewohnt schläfrig und
unaufmerksam wirken lassen.
Die Auftaktleiche, an der man DNA-Spuren des mit einem denkbar wasserdichten Alibi ausgestatteten Häftlings Holger Drake (Tambet Tuisk) findet, dient wie schon in Bremer Vorgänger-Tatort Alle meine Jungs nur als Aufhänger für einen komplexeren Fall, bei dem der Kopf des kriminellen Systems aber überraschend blass bleibt: Anders als Roeland Wiesnekker, der in Alle meine Jungs als Müllmogul „Papa“ Szene um Szene stahl, verrichtet der vielfach leinwanderprobte Herbert Knaup (Heißer Schnee) in seiner Rolle als JVA-Sicherheitschef Franke (Spitzname: „King“) nur Dienst nach Vorschrift. Ganz anders seine Figur: „King“ führt im Knast ein gnadenloses Regiment, bei dessen Aufdeckung Undercover-Ermittler Lannert aber nie wirklich um seine Enttarnung fürchten muss.
Würde der Stuttgarter Kommissar und Porsche-Fahrer in dem fast steril wirkenden Vorzeigeknast mal richtig in Bedrängnis geraten – beispielsweise, weil ein Häftling ihn erkannt, eine Kollege Verdacht geschöpft oder Franke seine wahre Identität gelüftet hätte – wäre aus Freigang bestimmt ein spannender Tatort geworden. Doch die Geschichte plätschert über weite Strecken vor sich hin, weil die Filmemacher selten überraschen und bloß die üblichen Krimi-Versatzstücke aneinanderreihen.
Einzige Antriebsfeder des Geschehens sind die Machtspielchen des Sicherheitschefs, die erwartungsgemäß zu einer zweiten Leiche führen und später noch einen blutigen Zwischenfall beim Hallenfußball (jede Schülermannschaft würde die untalentierte Knackitruppe vom Platz fegen) nach sich ziehen. Das ist zwar kurzweilig, aber erst auf der Zielgeraden, als Lannert und Bootz bei einem Wettlauf gegen die Zeit eine weitere Leiche verhindern müssen, so richtig packend.
So bleiben das Beste im 913. Tatort die köstlichen Szenen in einem Stuttgarter Bordell, die an die einstigen Treffen von Undercover-Cop Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) und seinem Chef Uwe Kohnau (Peter Jordan) erinnern: Während die Hamburger Kollegen sich im Supermarkt oder im Miniatur Wunderland der Speicherstadt über den aktuellen Stand der Ermittlungen austauschten, wählen die Stuttgarter Kommissare ein alles andere als schalldichtes Sado-Maso-Zimmer für ihre regelmäßigen heimlichen Treffen (Bootz: „Scheiß Gestöhne hier!“). Weil Franke im gleichen Laden Stammgast ist, darf sich Lannert sogar – rein dienstlich, versteht sich – mit einer blonden Prostituierten vergnügen, um die Tarnung vor seinem neuen Chef zu wahren. Natürlich blendet die Kamera nach dem ersten Champagnerglas aus.
Unter dem Strich steht damit ein nur stellenweise spannender, einfallsarmer Stuttgarter Tatort, der im direkten Vergleich zu den packenden Knastkrimis der jüngeren Vergangenheit deutlich abfällt.
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