Folge: 885 | 3. November 2013 | Sender: MDR | Regie: Thomas Bohn
Bild: MDR |
So war der Tatort:
Auf jung getrimmt.
Denn in Kalter Engel feiert das jüngste Tatort-Team aller Zeiten sein Debüt: In Erfurt ermitteln erstmalig Hauptkommissar Henry Funck (Friedrich Mücke, Heimatfront), Oberkommissar Maik Schaffert (Benjamin Kramme) und Polizei-Praktikantin Johanna Grewel (Alina Levshin), die den beiden Jungbullen von Kriminaldirektorin Petra Fritzenberger (Kirsten Block, Edel sei der Mensch und Gesund) zur Seite gestellt wird.
Ein mutiges, weil ausgefallenes Konzept, keine Frage: Doch Funck, Schaffert und Grewel hätten eigentlich viel besser ins Team der SK-Babies gepasst, die – die älteren Leser werden sich vielleicht erinnern – von 1996 bis 1999 bei den Kollegen von RTL auf Verbrecher und den Zuschauer losgelassen wurden.
Qualitativ hebt sich der neue Tatort aus der thüringischen Landeshauptstadt kaum von dieser gruseligen, zu Recht schnell in Vergessenheit geratenen RTL-Produktion ab: Funck und Schaffert kippen im Präsidium literweise Energydrinks, schleudern wild mit Anglizismen um sich („Fuck and Go oder was?“) und sind von Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bohn (Tod im All) so fürchterlich auf cool getrimmt, dass Kalter Engel schon nach wenigen Minuten zur ärgerlichen Geduldsprobe wird.
Das beste am 885. Tatort ist noch die einleitende Verfolgung des mutmaßlichen Frauenmörders Roman Darschner (Godehard Giese, Leben gegen Leben): Nicht etwa aufgrund der knackigen Actionszenen (die Inszenierung fällt eher bieder aus), sondern schlicht und einfach deshalb, weil zu diesem frühen Zeitpunkt des Films noch alle die Klappe halten.
Ob Funcks müder Currywurst-Flirt mit der hübschen Valerie (Karoline Schuch, auch bekannt als Freddy Schenks Tochter Melanie aus dem Kölner Tatort), Fritzenbergers tadelnde Worte im Präsidium oder die schier unerträglichen, pseudo-tiefsinnigen Zwischenresümees der beiden Kommissare: Die Dialoge sind hölzerner als eine finnische Sauna und wirken so himmelschreiend aufgesetzt, dass jeder Anspruch an einen halbwegs authentischen und spannenden Kriminalfall schon nach wenigen Minuten getrost zu den Akten gelegt werden kann.
Kalter Engel mangelt es auch einfach an einem interessanten Thema: Frauenmörder, die keine sind, Eifersucht unter Mitbewohnerinnen, Medikamentenmissbrauch – das alles hat man im Tatort schon um Längen besser gesehen. Von Land und Leuten – für eine Kleinstadt wie Erfurt gleich doppelt wichtig, will sie sich mittelfristig in der unübersichtlichen Tatort-Landschaft behaupten – ist indes wenig zu spüren: Ein paar Außendrehs an der örtlichen Uni, eine Dialekt sprechende SpuSi-Kollegin – das war’s.
Stattdessen war die Requisite im Fan-Shop von Rot-Weiß-Erfurt einkaufen: In Studentenspinden baumeln einsame Vereinswimpel, Schaffert trinkt seinen Kaffee (Koffein kann man offenbar nie genug haben) aus einer Tasse mit RWE-Logo und spielt mit unerträglicher Penetranz an einem handsignierten Lederfußball herum, den man den Kommissaren nach dem siebten oder achten „Alter!“ am liebsten mit Karacho ins Gesicht feuern würde.
Das Debüt des jüngsten Ermittlerteams aller Zeiten geht mit Pauken und Trompeten in die Hose: Der zu allem Überfluss auch noch völlig nichtssagend betitelte Kalter Engel ist einer der schwächsten Fadenkreuzkrimis des Jahres 2013 – und zugleich schon der vorletzte Einsatz des neuen Trios, das nach dem ähnlich schwachen Nachfolger Der Maulwurf das Handtuch wirft und den Dienst quittiert.
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