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Freunde bis in den Tod

Folge: 882 | 6. Oktober 2013 | Sender: SWR | Regie: Nicolai Rohde

Bild: SWR/Stephanie Schweigert

So war der Tatort:

Virtuell.

Denn zehn Minuten vor Günther Jauchs anschließender Talksendung zeigt die ARD nun mal keinen Massenmord mehr – es sei denn, es steht ein entsprechender Themenabend auf dem Programm. Steht er am 6. Oktober 2013 aber nicht, und daher können die Hauptkommissare Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) den Amoklauf eines Schülers, der die Tat seines verstorbenen Freundes in Freunde bis in den Tod fortsetzen will, natürlich in letzter Sekunde vereiteln


Kein erschütterndes Ende wie im thematisch ähnlich gelagerten, beklemmenden Familiendrama We Need To Talk About Kevin oder Gus van Sants vieldiskutiertem Elephant – Kopper ballert sich stattdessen bei einer Flasche Rotwein durch virtuelle Schulräume, während Odenthal interessiert über seine breiten Schultern blickt. 


Der ermordete Schüler Ron (Rick Okon, debütiert 2018 in Tod und Spiele als Tatort-Kommissar in Dortmund), der den Amoklauf geplant, aber nicht mehr hatte ausführen können, hat seiner Nachwelt nämlich ein Videospiel hinterlassen, in dem gleich reihenweise lausig animierte Spinnenkreaturen explodieren und optisch alles nach den ersten dreidimensionalen Gehversuchen der 90er Jahre aussieht. 


Zeit für solche albernen Spielchen bleibt reichlich, denn statt sich an differenzierter Charakterzeichnung zu versuchen, greifen Drehbuchautor Harald Göckeritz (Der Schrei) und Regisseur Nicolai Rohde (Das erste Opfer) einfach tief in die Klischeekiste und präsentieren mit Außenseiter Manu (Joel Basman, Der letzte Patient), der das Werk von Ron zu Ende bringen will, einen Amokläufer aus dem Bilderbuch: 

– picklig und dunkel gekleidet  
– geheimnisvoll und verschlossen  
– verbittert und frustriert  
– von den Mitschülern verspottet  
– vom Stiefvater (Wolfram Koch, später Frankfurter Tatort-Kommissar) unverstanden  
– vom heimlichen Schwarm links liegen gelassen 

Es ist ein Trauerspiel: Julia (Leonie Benesch), in die sich der potenzielle Massenmörder verliebt hat, ist die einzige interessante Figur, und Benesch die einzige Schauspielerin, die in diesem Tatort bleibenden Eindruck hinterlässt.

Das Thema Cybermobbing arbeiten die Filmemacher zumindest halbwegs angemessen ab, wenngleich Freunde bis in den Tod weit davon entfernt ist, der im Jahr 2013 brandaktuellen Problematik neue Aspekte hinzuzufügen. Ein gehaltvoller Beitrag zur Diskussion um mögliche Motive für jugendliche Gewalttaten ist der 882. Tatort erst recht nicht: Die Dialoge sind hölzerner als ein Hochsitz, die Figuren entsetzlich schablonenhaft und die Kommissare für ein solch heikles Thema schlichtweg die falschen.


Freunde bis in den Tod krankt nämlich auch an den altbekannten Ludwigshafener Schwächen: Lena Odenthal hält pseudo-tiefsinnige Monologe in menschenleeren Turnhallen und zieht im Zehn-Minuten-Takt überflüssige Zwischenresümees, und der emsige Becker (Peter Espeloer) bringt die Ermittlungen mal wieder im Alleingang voran, während die Kommissare sich und den Zuschauer durch gähnend langweilige Verdächtigenbefragungen quälen. Rekonstruktion des Tathergangs, Faserspuren unter den Fingernägeln, akribische Audioanalyse – Becker kann einfach alles.

Für eingefleischte Fans des Krimis aus der BASF-Stadt mag dieses Rezept noch immer aufgehen – doch der Eindruck, dass Odenthal und Kopper ihre besten Jahre hinter sich haben, verfestigt sich mit jedem neuen Tatort mehr.

Bewertung: 3/10

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