Folge: 870 | 14. April 2013 | Sender: HR | Regie: Edward Berger
Bild: HR/Bettina Müller |
So war der Tatort:
Abgeschottet.
Der fünfte und letzte gemeinsame Einsatz von Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina Kunzendorf) spielt nämlich zu großen Teilen in einem hermetisch abgeriegelten Jugendknast, verweist mit Folterung und Isolationshaft auf bewegende Gefängnisdramen wie Murder in the First und macht mit dem Hakenkreuz-Tattoo des Insassen Jürgen Schuch (Andreas Helgi Schmid) auch Tony Kayes Meisterwerk American History X seine Aufwartung.
Doch nicht nur der Schauplatz von Wer das Schweigen bricht schottet sich ab: Steier („Sich mit dir unterhalten ist, wie wenn ein Einarmiger in die Hände klatscht.“), der im Gegensatz zu Mordkommissionsleiter Walter Hillinger (Gerd Wameling) erst nach fünfzig Minuten vom Abschied seiner kessen Kollegin erfährt, lässt als emotionaler Krüppel lange keine Gefühle zu und offenbart seine weiche Seite zu spät: Mey hat schon als Ausbilderin an einer Kieler Polizeischule unterschrieben.
Der 870. Tatort ist ein hochemotionaler, aber nie aufdringlicher Krimi, denn die Filmemacher nehmen sich viel Zeit für die Figuren, deren ungewöhnliches Verhältnis die Regie von Edward Berger (Das letzte Rennen) ohne falsche Kompromisse abrundet.
Mit der herrlich direkten Hauptkommissarin quittiert am Ende eine der bemerkenswertesten Figuren der jüngeren Tatort-Geschichte in würdigem Rahmen den Dienst – und vielleicht ist es genau der richtige Zeitpunkt zum Aufhören. Viel Entwicklungspotenzial brachte Kunzendorfs rotzfreche Tussi-Figur nie mit, und so hört die beliebte Schauspielerin wahrscheinlich in dem Moment auf, in dem es am schönsten ist. Ihre kesse Lippe hat Mey nämlich auch bei ihrem fünften Auftritt nicht eingebüßt.
MEY:Würd‘ mir mal’n anderes Hemd anziehen – das wird am zweiten Tag nicht frischer!
Wer das Schweigen bricht ist ein starker, fesselnder Knastkrimi, der zweitbeste mit Steier und Mey nach Der Tote im Nachtzug. Einmal mehr adaptiert Fernsehpreis-Gewinner Lars Kraume (Eine bessere Welt), der auch das Skript zu deren ersten beiden Folgen schrieb, einen realen Fall des Analytikers
Axel Petermann und erzählt die
Geschichte seines ungleichen Ermittlerduos schnörkellos zu Ende, ohne den Kriminalfall um den ermordeten Jugendstraftäter Mustafa Zeydan (Atheer Adel) zu vernachlässigen.
Mit Jürgen Rißmann (Im Namen des Vaters) und
Sylvester Groth, der zuletzt im Bodensee-Tatort Die schöne Mona ist tot den Mörder mimte und auch in Schwarzer Afghane zu den
Verdächtigen gehörte, zählen zwei tatorterprobte, bekannte TV-Gesichter zum starken Cast – normalerweise ein sicheres Indiz dafür,
dass es sich bei einem der beiden um den Täter handelt.
Die Auflösung gestaltet sich aber vergleichsweise knifflig und führt zu einer überraschenden Wendung, die den Ausgangspunkt für eine flotte, wenn auch nicht ganz glaubwürdige Verfolgungsjagd durch Mainhattan und einen Showdown mit Geiselnahme bildet.
Wer das Schweigen bricht bricht den Mikrokosmos Jugendknast hier schließlich doch noch gekonnt auf und entlässt Conny Mey am Ende erfolgreich und mit Blumen aus der Mordkommission. Dass Steier ihren Abschied nicht mal persönlich miterlebt, steht symbolisch für das, was die beiden Ermittler trotz aller Ungleichheit doch irgendwie verband: grobes Auftreten und eine harte Schale, unter der sich unausgesprochene Empfindungen und Verletzlichkeit verbergen.
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