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Willkommen in Hamburg

Folge: 865 | 10. März 2013 | Sender: NDR | Regie: Christian Alvart

Bild: NDR/Marion von der Mehden

So war der Tatort:


Actiongeladen.


Willkommen in Hamburg ist das von Medien und Fans im Vorfeld heiß diskutierte Tatort-Debüt des umstrittenen Filmemachers Til Schweiger (Manta, Manta) und zugleich der bis dato actionlastigste Tatort in der über vierzigjährigen Geschichte der Krimireihe. Bereits in der Eröffnungssequenz, in der LKA-Ermittler Niklas „Nick“ Tschiller (Schweiger) drei Ganoven über den Haufen ballert, stößt der NDR die Tatort-Puristen rücksichtslos vor den Kopf und brennt ein wahres Actionfeuerwerk ab.

Unvorbereitet eingeschaltet haben dürften aber ohnehin die Wenigsten: Die Kritik am Vorspann, die Namensänderung von Tschauder zu Tschiller, ein emotionales Spiegel-Interview und TV-Auftritte am Fließband – Schweiger weiß ganz genau, wie er sich und seine Filme ins Gespräch bringt, um Quoten auf Münster-Niveau einzufahren.

Dass mit Luna Schweiger (in der Rolle als Lenny Tschiller) wieder einmal eine seiner leinwanderprobten Töchter zum Cast zählt, ist Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker und zugleich das größte Ärgernis eines Tatorts, der ansonsten hervorragend besetzt ist: Der spätere Berliner Tatort-Kommissar Mark Waschke (Tote Erde) mimt den charismatischen Bösewicht Max Brenner und mit Regisseur Christian Alvart (Borowski und der coole Hund) und Drehbuchautor Christoph Darnstädt (Der Lippenstiftmörder) sitzen zwei tatorterprobte Filmemacher am Ruder, die ihr Handwerk verstehen und trotz begrenztem Budget einen Hauch von Hollywood auf die Mattscheibe bannen.

Die in Schweigers Kinofilmen fest zum Erfolgsrezept zählenden Cameo-Auftritte prominenter Weggefährten lässt sich Schweiger freilich nicht nehmen: Durfte zum Beispiel in Keinohrhasen Wladimir Klitschko Yvonne Catterfeld einen Heiratsantrag machen, ist hier Boxer Artur Abraham in einer Minirolle zu sehen. Auch den baldigen Tatort-Kollegen Wotan Wilke Möhring (debütiert wenige Wochen später in Feuerteufel) trifft Tschiller in einer herrlich subtil-amüsanten Szene auf dem Herrenklo des Präsidiums.

Ein bisschen Bond, ein bisschen Batu, ein bisschen Bruce Willis: Tschiller ist die kompromisslose Haudrauf-Variante eines klassischen Tatort-Kommissars, den die nervtötenden Vater-Tochter-Szenen in der norddeutschen Großstadtrealität erden sollen. Willkommen in Hamburg, an dem der Vorspann ironischerweise noch das tatorttypischste ist, entpuppt sich früh als fernsehkompatible Mischung aus Schutzengel, Leathal Weapon und Kokowääh und bietet solide Popcorn-Unterhaltung, die die Ü49-Generation verschreckt, bei großen Teilen des jungen Publikums aber ankommt.

Von der Klasse der ähnlich gelagerten, adrenalinschwangeren Hamburger Fadenkreuzkrimis Häuserkampf oder Der Weg ins Paradies ist der 865. Tatort dabei aber weit enfernt: Der Over-The-Top-Moment auf der Elbphilarmonie wirkt unfreiwillig komisch und die Cybercrime-Elemente sind oft zu viel des Guten. Tschiller-Partner und Spaßvogel Yalcin Gümer (Fahri Yardim, Tödliche Ermittlungen), der bei der Eröffnungsschießerei am Bein getroffen wird und seinen Kollegen in der Folge vom Krankenhausbett aus unterstützt, hackt sich problemlos in Festnetzleitungen und scheint so ziemlich jedes Problem binnen Sekunden am Netbook lösen zu können.

Für das Erzählkonstrukt ist das jedoch ein cleverer Kniff: Die Kameras, mit denen der waschechte Hamburger Jung die zur Notunterkunft umfunktionierte eigene Wohnung überwacht, erweisen sich als Glücksgriff für die Spannungskurve und bieten dem sympathischen Sidekick Gelegenheit für einige köstlich trockene One-Liner.

Und Schweiger? Der gibt sich Mühe beim Eierkochen und in seinem besten Tatort-Moment sogar entwaffnend selbstironisch. Es hätte wahrlich schlimmer kommen können.


TSCHILLER:
Was für’n Dichter? Nee. Tschiller. Mit ‚T‘. Ich nuschel ’n bisschen.

Bewertung: 6/10


Kommentare

4 Antworten zu „Willkommen in Hamburg“

  1. Katastrophentatort mit unglaublich grottigem Hauptdarsteller. Echt eine Zumutung, wer lässt denn sowas ausstrahlen? Einziger Lichtblick in der Familienselbstverwirklichungsepisode war der Kollege im Krankenbett!

  2. Mal abgesehen davon, dass Schweigers schauspielerische Qualität so groß und facettenreich ist wie ein Sandkorn, ist es eine Zumutung für Tatort-fans wie mich gewesen: Der Plot war redundant und vorhersehbar und platt, das Thema einfach noch einmal aufgewärmt.
    Kurzer Nachklapp: Hohe Quote bei und wegen Till Schweiger? So wie ich werden alle meine Freunde den hanburger Tatort meiden und lieber im Graupelschauer spazieren gehen…! Absoulut unterirdisch und eine Schande für das Tatort-Format und die Hansestadt.

  3. nach 15. Minuten abgeschaltet!

    1. schade… ein wirklich spannungs geladener Tatort… gut die Actionszenen waren ein wenig überrissen, trotzdem Til Schweiger und die anderen Schauspieler haben einen guten Job gemacht. Gruss von Zwei Ü55

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