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Altes Eisen

Folge: 808 | 4. September 2011 | Sender: WDR | Regie: Mark Schlichter

Bild: WDR/Willi Weber

So war der Tatort:

Kölnfixiert – denn selbst bei einer Toilettenpause oder laut knuspernden Chips im Mund ist es eigentlich kaum möglich, die zahlreichen Anspielungen auf den Schauplatz der 808. Tatort-Folge zu verpassen.

Pünktlich zu seinem 50. gemeinsamen Fall soll das altgediente Ermittlerduo Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) getrennt werden, denn Ballauf liegt ein Job-Angebot vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden vor. Schenks schlagendes Argument, um seinen Partner in Köln zu halten: dessen schöne Wohnung.


SCHENK:
Domblick. Was will man mehr vom Leben?

Auch der zu lösende Mordfall ist gespickt mit Lokalkolorit: Die Hausbesitzerin Erika Roeder (Marie-Anne Fliegel, Nasse Sachen) wurde ermordet. Schnell stellt sich heraus, dass sie schon lange versucht hatte, ihre beiden letzten verbleibenden Mieterinnen Gerda Felten (Heide Simon, Ohne Beweise) und Trudi Hütten (Edgar Selge, Machtlos) zum Auszug zu bewegen.

Die bettlägerige, depressive Gerda und die transsexuelle Trudi passen einfach nicht mehr in den zum Szeneviertel mutierenden Bezirk – in Altes Eisen wird er natürlich „Veedel“ genannt (so wie auch später in Wacht am Rhein), denn wir sind hier schließlich in Köln. Da dürfen auch der eine oder andere Seitenhieb auf die rechtsrheinische Seite, in der unter anderem die bösen Medienunternehmen ansässig sind, und Aussagen wie „immer das Gleiche hier in Köln“ nicht fehlen.

Obwohl mit Frank Roeder (Aljoscha Stadelmann, Spiel auf Zeit), dem Sohn der Toten, seiner Freundin Sophie (Henny Reents) und dem windigen Wettbürobesitzer Peter Stamm (Tobias Oertel, Happy Birthday, Sarah) noch weitere Verdächtige eingeführt werden, liegt der Fokus deutlich auf den Themen Gentrifizierung und Diskriminierung.


HÜTTEN:
Ach, Herr Ballauf, du musst gar nicht um den heißen Brei herumreden. Ich weiß doch, dass ich verdächtig bin.


BALLAUF:
Warum?



HÜTTEN:
Weil ich eben so bin, wie ich bin.


SCHENK:
Was sind Sie denn?



HÜTTEN:
Früher war ich ein Mann und jetzt bin ich eine Frau. Jedenfalls dem Namen nach. Steht sogar in meinem Personalausweis.


Ein ähnlich steifes Frage-Antwort-Spiel, bei dem der WDR offenbar seinem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag gerecht werden will, findet einige Szenen später zwischen Trudi Hütten und Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) im Hinblick auf das Transsexuellen-Gesetz und die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Geschlechtsumwandlungen statt.

Drehbuchautor Mario Giordano (Todesschütze) gibt zwar einen groben Überblick über die Fakten, die unnatürlich wirkenden Dialoge und die starke Fixierung auf die transsexuelle Figur hemmen jedoch die Spannung. Da hilft es wenig, dass Dauersingle Ballauf der vermeintlichen Liebe seines Lebens begegnet und die ganze Folge miesepetrig durch die Verhöre schleicht, als er erfährt, dass seine Affäre – die Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler, Keine Polizei) – verheiratet ist.

Rosenberg taucht nach Altes Eisen noch mehrmals im Kölner Tatort auf – unter anderem in Wahre Liebe und Narben. Auch die anderen Nebendarsteller sind in der deutschen Fernsehlandschaft keine Unbekannten: Henny Reents und Tobias Oertel sind beide als Ermittler in anderen ARD-Krimireihen zu sehen, und der gewohnt glänzend aufgelegte Edgar Selge war von 2001 bis 2009 Polizeiruf 110-Kommissar in München. Interessante Parallele: Selges Figur Jürgen Tauber quittierte den Polizeidienst, weil er wiederholt aufgrund seiner Homosexualität gemobbt wurde.

Die beiden Kölner Hauptkommissare wirken in ihrem Jubiläumsfall aber eher amtsmüde als unglücklich: Während Ballauf zum wiederholten Mal seine Lebensplanung überdenkt (vgl. Mutterliebe), sorgt Schenk mit Sticheleien gegen seinen Kollegen („Ist ja auch nichts für dich, in deinem Alter!“) und halbgaren Floskeln für gereizte Stimmung („Manchmal habe ich so die Nase voll von diesem ganzen Dreck. Wie oft habe ich das schon gesagt seit wir uns kennen?“ – „Eine Million Mal.“).

Auch eines der ekligsten Nasenbluten der Tatort-Geschichte erspart Regisseur Mark Schlichter (Familienaufstellung) den Zuschauern nicht – inszeniert unter dem Strich aber einen soliden, wenn auch für ein Jubiläum relativ unspektakulären Whodunit, der mit einer unverbrauchten Themenwahl punktet.

Bewertung: 5/10

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